In der letzten Woche haben Sie den privaten Hurrikan erlebt, als Ihre Tochter mit einer Überdosis Heroin ins Krankenhaus gebracht wurde. Wie haben Sie die Nachricht aufgenommen?

JON BON JOVI: Die letzte Woche war für meine Familie und mich ziemlich schwierig. Ich bin froh, dass meine Tochter lebt und auf dem Weg der Besserung ist. Offensichtlich ist keine Familie perfekt.

Ist es ein Handicap für Ihre Kinder, einen berühmten Vater wie Sie zu haben, und was versuchen Sie, ihnen mitzugeben?

BON JOVI: Ich mache Ihnen nichts vor: Zurzeit ist es schwierig. Meine Kinder wurden geboren, als ich bereits berühmt war. Bloß zu Hause existiert der Rockstar nicht. Berühmt sein ist kein Wert, sondern oberflächlicher Unsinn. Das Dach über dem Kopf habe ich mit der Musik verdient und nicht, weil ich berühmt bin.

Abgesehen vom privaten Sturm haben Sie vor ein paar Wochen auch Hurrikan Sandy in New Jersey und New York erlebt.

BON JOVI: Ich war zu dieser Zeit in London, aber meine Familie war in Downtown New York. Als unser Haus ohne Strom war, fanden sie glücklicherweise ein Hotel und harrten aus, bis die Gefahr gebannt war. Der Schaden an unserem Haus ist groß. Doch das Wichtigste ist, dass meiner Familie nichts passiert ist. Ich bin bei der ersten Gelegenheit zurückgeflogen und weiter nach New Jersey gefahren, weil ich es einfach nicht fassen konnte. Die Nachbarschaft, in der ich aufgewachsen bin, liegt nicht am Meer. Es ist ein Arbeitergebiet, wo niemand eine Versicherung gegen Wirbelstürme hat. Weil es dort noch nieHurrikans gegeben hat. Die ganzen Ersparnisse dieser hart arbeitenden Menschen stecken in ihren Eigenheimen. Natürlich habe ich meinen Nachbarn Hilfe zugesagt. Gemeinsam mit Bruce Springsteen und Paul McCartney gaben wir ein Konzert in New York für die Opfer des Wirbelsturms.

Im nächsten Jahr starten Bon Jovi ihre große Welttour. Mit 50 Jahren keine so einfache Sache.

BON JOVI: Das Wichtigste ist, sich physisch und mental darauf einzustellen. Meine Diät ist in der Früh eine Tasse Kaffee und abends Rotwein. Keine sehr gute Diät, aber ich steh dazu, und ich zwinge mich, jeden Morgen sieben Kilometer zu joggen.

Was können die Fans musikalisch erwarten?

BON JOVI: Mein neues Album hat zwölf statt elf Songs, weil ich mich von keinem einzigen trennen konnte. Es erzählt eine komplette Geschichte, handelt von Liebe, Enttäuschung, Freundschaft und davon, wer ich jetzt im Leben bin. Wo ich stehe.

Auch Bon Jovi als Band scheint stärker denn je zuvor.

BON JOVI: Ich glaube, unser Geheimnis ist, dass wir als Bandmitglieder nicht voneinander abhängen, sondern eigene Wege gegangen sind. Richie Sambora malt und hat eine Solokarriere, David Bryan hat am Broadway für sein Musical "Memphis" einen Tony Award gewonnen. Ich selbst habe Schauspielunterricht genommen und schreibe Filmmusik. In den 80er-Jahren, als wir praktisch Tag und Nacht zusammen waren, war unsere Konversation beim Abendessen reduziert auf: "Ah. Aha. Und yeah." Wir hatten uns buchstäblich nichts mehr zu erzählen. Nun, wo jeder von uns unabhängig von der Band lebt und eine Karriere außerhalb der Band hat, sind unsere Gespräche reichhaltiger, wir treffen uns mit neuen Energien, und das stärkt uns als Band. Wir sind alle erwachsen geworden.

Derzeit arbeiten Sie am Soundtrack zum Actionthriller "Stand Up Guys". Ist es ein Unterschied für Sie, für ein Album Songs zu schreiben oder für einen Film?

BON JOVI: Es gibt drei Aspekte bei der Entstehung eines Songs: Da ist zu erst einmal das Schreiben. Eine Idee ist wie eine Eingebung. Der nächste Schritt ist das Aufnehmen. Da wird der Text zum Leben erweckt. Schritt Nummer drei: Man möchte den Song mit anderen teilen, sprich Konzerte geben. Beim Film ist das Drehbuch die Inspiration. Abgesehen davon, dass ich ein Riesenfan von Al Pacino und Christopher Walken bin. Mein letzter großer Soundtrack liegt 20 Jahre zurück, und ich befürchtete, vergessen zu haben, wie es geht. Doch beim Lesen des Drehbuchs von "Stand Up Guys" sind all die Themen vorgekommen, die mich seit 30 Jahren begleiten: Liebe, Freundschaft, Ehre, Loyalität. Der Satz: "Unser Aussehen ändert sich, aber nicht unser Charakter." Das war die Inspiration für den Titelsong "Old Habits Die Hard".

Wo steht Ihrer Meinung nach Rock 'n' Roll heute?

BON JOVI: Rock ist genauso rebellisch wie vor 40 Jahren. Aber anders. Ich habe mich verändert, bin älter geworden. Das verarbeite ich in den Songs. Einen Song wie "You Give Love A Bad Name" kann und soll man nur mit 25 Jahren schreiben. "Not Running Anymore" dagegen nur mit 50, weil ich die Lebenserfahrung mitbringe.

Sie haben es bereits angesprochen, Sie sind heuer 50 Jahre alt geworden. Ist das Älterwerden für Sie als Sex-Symbol kein Problem?

BON JOVI: Nein, mit dem Alter kommt die Weisheit. Außerdem: Wenn die Rolling Stones mit 75 noch auf der Bühne Vollgas geben, kann ich mit 50 erst recht noch rocken! INTERVIEW: BARBARA GASSER/LOS ANGELES