Unblutig und auf blütenweißem Grund: Für gewöhnlich sehen Revolutionen anders aus – außer es geht um Mode, da konnten in den 1920er-Jahren 30 Zentimeter weniger Stoff die Gemüter gerne mal bis zum Anschlag erhitzen. Dabei war gerade die Hitze der zündende Funke: Seit jeher war die Mode in Wimbledon noch steifer als die Etikette selbst – mit gestärkten Hemden, langen Hosen, vorschriftsmäßig in Weiß, schritt man am Tenniscourt zu Werke. Laufen war eine Herausforderung, der Aufschlag ein doppelter Kraftakt. Und dann kam ein Franzose.

René Lacoste, der zweifache Wimbledon-Sieger, entwickelte – ausgehend vom klassischen Polohemd, das ursprünglich für Polospiele in der Hitze Indiens angefertigt wurde – eine leichte Variante in Baumwoll-Pikee. 1927 stand er damit erstmals am Center-Court und befreite die Tenniswelt nachhaltig vom engen Korsett gestärkter Hemden.

Klein, grün, bissig

Auch in Sachen Firmenlogo setzte er auf die richtige Masche: ein kleines grünes Reptil, die Umsetzung seines Spitznamens „Krokodil“. Bis heute ist das viel kopierte Tier umtriebig, sein bevorzugtes Revier: Tennisplätze, Golfplätze und Arztpraxen. Lacoste, der Dresscode des Establishments. 1933 gründet Lacoste seine Firma, ein Jahr später werden in Wimbledon die Eckpfeiler für den Dresscode der Underdogs in den heiligen Rasen geschlagen: Ein britisches Arbeiterkind namens Fred Perry gewinnt von 1934 bis 1936 drei Mal hintereinander Wimbledon.

Es sind nicht nur die sportlichen Siege, es ist die Symbolkraft, ein Sieg der Arbeiterklasse: Einer von ihnen rollt das bis dato höchst elitäre Tennisfeld von hinten auf. Fred Perry ist Superstar, Lebemann, Dandy. Und er schreibt sein Hollywood-Drehbuch gleich selbst, geht 1937 als Tennisprofi in die USA, wird Teil der A-Liga: Charlie Chaplin, Groucho Marx, Jean Harlow, Marlene Dietrich – er kennt sie alle.

1952 trifft Perry auf den österreichischen Fußballspieler Tibby Wegner, der noch vor dem Verbot seines jüdischen Vereins Hakoah Wien in Richtung London verlassen hatte. Sie orientieren sich an den Polohemden von Lacoste – das Logo, der Lorbeerkranz als Zeichen des Wimbledon-Sieges. Gleich mehrere Subkulturen erkoren in den letzten Jahrzehnten Fred Perry zum Dresscode: Die Mods, die Ska-Szene, die Britpopper – nur der Vereinnahmung durch die Skinheads hat sich die Marke immer verwehrt – das wäre auch im Sinne von Gründer Wegner.

Musiker Morrissey trägt sogar auf einem Plattencover Fred Perry
Musiker Morrissey trägt sogar auf einem Plattencover Fred Perry © Polydor


Für die Frühjahrs-/Sommer-Kollektionen 2016 setzen Designer wie Armani und Louis Vuitton ganz auf die Dandys vom grünen Rasen. Der Herr von Welt trägt im nächsten Sommer nicht nur Wimbledon-Chic, sondern auch die legeren Dandy-Varianten: Bundfalte trifft auf fließende Stoffe und Doppelreiher – nur die Kapitänsmütze, die bleibt bitte in der Kajüte.