Ein Wachturm, stählerne Panzersperren, 300 Meter Stacheldraht entlang einer alten Militärstraße: Bei Cízov, unweit der Grenzstadt Hardegg, stößt man auf eines der wenigen originalen Stücke des Eisernen Vorhangs. Man hatte diese unrühmliche Erinnerung 1990 in wenigen Monaten entfernt, heute freut man sich, dass wenigstens ein paar Teile stehen geblieben sind.

Unberührte Natur

„Der Eiserne Vorhang hatte auch etwas Gutes. Weil ein mehrere Kilometer breiter Grenzstreifen Sperrgebiet war, ist dort die Natur völlig unberührt“, erzählt Daniel Mourek, der das Programm „Iron Curtain Trail“ für Tschechien vorantreibt. Er hat viel zu erzählen. Etwa, dass der „Iron Curtain Trail“ seit 2005 in Arbeit ist, dass er 24 Länder berührt – und dass er nicht überall mit gleichem Einsatz gebaut wird wie hier, an der österreichisch-tschechischen Grenze. Ob die 10.000 Kilometer je fertig werden?

Das weiß niemand.

Auch Windmühlen (wie hier in Retz) trifft man unterwegs
Auch Windmühlen (wie hier in Retz) trifft man unterwegs © Franz Pototschnig

Wiener Schnitzel

Aber genug geredet, wir wollen schließlich auch etwas sehen. Das geht am besten mit dem Fahrrad zwischen Cízov und Hardegg. Wir radeln durch den dichten Laubwald des Nationalparks Podyjí gemächlich bergab, die wenigen Radfahrer winken uns freundlich zu.

Es sind nur wenige Kilometer bis zur Thaya, auf der anderen Seite liegt Hardegg, die kleinste Stadt Österreichs. Wir machen einen Abstecher über die Grenze zum Gasthaus „Thayabrücke“ auf ein Wiener Schnitzel. Am Fluss endet auch der Podyjí, geht aber nahtlos in den Nationalpark Thayatal über.

Grenzgänge

„Wir arbeiten über die Grenze hinweg gut zusammen“, erzählt Julia Teis von der Weinviertel Tourismus GmbH. Das ist auch nötig, denn der Radweg wechselt ständig zwischen Tschechien und Österreich hin und her. Von Drosendorf über Znojmo (Znaim) und Laa an der Thaya nach Mikulov. Großteils geht’s über Landstraßen, Waldwege und Militärstraßen. Kontrollen gibt es längst nicht mehr, Hinweistafeln sind der einzige Anhaltspunkt dafür, dass man schon wieder die Grenze passiert.

Ein Weg für Genussradler
Ein Weg für Genussradler © Franz Pototschnig

Radeln und schauen

Sowohl Südmähren als auch das Weinviertel sind sehr bemüht, sich von der besten Seite zu zeigen. Von Hardegg geht’s einige Kilometer nach Südosten – stetig bergab – und schon sind wir in Retz, wo die einzige aktive Windmühle Österreichs steht. 1924 stillgelegt, wurde sie behutsam restauriert und mahlt seit 2009 wieder Getreide für die hauseigene Bäckerei.

Ein Heuriger nebenan hat ausgesteckt, aber wir müssen schon wieder über die Grenze, damit wir das Nachtmahl im fahrradfreundlichen Biohof in Nov Prerov nicht versäumen.

Im Zelt

Im weitläufigen Innenhof haben einige hartgesottene Radler bereits ihre Zelte aufgestellt und sitzen um einen Griller, der an diesem kühlen Abend die einzige Wärmequelle ist. Es gibt für alle deftige Kartoffelsuppe, gegrillten Fisch und urwüchsigen Hauswein. Da sind die Strapazen schnell vergessen.

Eine Privatinitiative einiger junger Leute steht hinter diesem Projekt: „Wir hatten einen guten Sommer, der Radweg wird vor allem auf tschechischer Seite immer bekannter“, freut sich einer der Betreiber. Österreicher zieht es eher in Hotels im nahen Mikulov.

Weinviertel klassisch

Am nächsten Tag geht’s zurück, nach Wildendürnbach nahe Poysdorf. „Hier ist das Weinviertel genau so, wie man es weltweit kennt“, erklärt Manfred Monetti. Ein „zertifizierter Kellergassenführer“, verrät uns sein Namensschild. „Ich mach selber keinen Wein, sonst müsste ich immer meinen trinken. So kann ich mir den besten aussuchen“, grinst er. Durch die weitläufige, sanft gewellte Landschaft geht es weiter Richtung Mikulov (Nikolsburg). Man trifft kaum Autos und noch weniger Radler.

Kein Vergleich mit dem Mur- oder gar dem Neusiedlersee-Radweg. Immer wieder passiert man Gedenkstätten, die an die Zeit des Eisernen Vorhangs erinnern. Eilig sollte man es nicht haben auf diesem Radweg, der Genussradler und Hobbyhistoriker gleichermaßen anzieht.