Die sicherste Methode, den eigenen Urlaub frei von Missgunst anderer antreten zu können, ist die Botschaft: „Ich fahre nach Rumänien.“ Meist kommt ein besorgtes „Musst du?“ als Reaktion, und auf die Antwort „Ich will und werde“ folgen Ratlosigkeit und ein verkrampft lustiges „Lass Dracula grüßen!“.

Rumänien also – keine zwei Flugstunden von Österreich entfernt, ein Stück EU, aber eines, das für die meisten im toten Winkel liegt. Eines der letzten Länder, die es noch zu entdecken gibt.

Reisen wir also mit leichtem Gepäck, damit wir immer schön wendig bleiben, weil man im Leben ohnehin nie weiß, was hinter der nächsten Kurve kommt. Und siehe da: Was gleich nach der ersten Kurve am Flughafen Bukarest kommt, sind Cristian und Engelbert, zwei rumänische Guides, deren Biografie vermutlich mehr über das Land erzählt als irgendein Geschichtsbuch.

Cristian, der 40-jährige Biochemiker mit den Hippie-Eltern, der sich als Kind mithilfe des jugoslawischen Fernsehens Deutsch und Englisch beibrachte, später kamen noch Französisch und Serbokroatisch hinzu. Cristian, der den Umsturz von Ceauescu in Temeswar live erlebte und der uns verspricht, später einmal davon zu erzählen, wie das damals wirklich war. Aber erst einmal müssen wir die Schönheiten von Siebenbürgen, den rauen Charme der Karpaten und das grandiose Naturkino namens Donaudelta gesehen haben. Denn das ist das Rumänien, das er liebt und das er nie verlassen wird. Ein Land, das nichts mit unseren Vorurteilen zu tun hat.

Engelbert und Cristian (rechts), unsere beiden rumänischen Guides
Engelbert und Cristian (rechts), unsere beiden rumänischen Guides © ZEISL

Eine andere und doch ähnliche Geschichte ist Engelbert: Der 30-jährige Siebenbürger Sachse, dessen Eltern nach der Wende nach Deutschland gingen, der in Hamburg aufgewachsen ist, Politik und Geografie studierte und vor ein paar Jahren als Einziger aus seiner Familie nach Siebenbürgen zurückkehrte, um den Hof seiner Eltern langsam wieder in Schuss zu bringen: mit Werkzeug aus dem Jahre Schnee und Pferd und Egge vom Nachbarn. Engelbert, der schlecht Rumänisch spricht (sagt Cristian), der auch in Rumänien lieber deutsche Zeitungen liest, der in diesem Land von Gelegenheitsjobs lebt und der doch nie mehr von hier wegmöchte. Aber auch das erfahren wir erst nach und nach auf dieser Reise.

Flanieren in Kronstadt,- an allen Ecken und Enden Spuren von der Habsburgermonarchie
Flanieren in Kronstadt,- an allen Ecken und Enden Spuren von der Habsburgermonarchie © HLADE

Zuerst kommt Transsilvanien: Die Touristenfalle namens Dracula-Schloss Bran, an dem die historische Vorlage für den Blutsauger nicht einmal vorbeigeritten sein dürfte, lassen wir aus. Wir widmen uns im „Land jenseits der Wälder“, so die Bedeutung von „trans silvana“, den Kulturschätzen von Siebenbürgen, wie die Region auch heißt. Und wer könnte sie uns besser zeigen als Engelbert.
Wir flanieren in Kronstadt durch eine gepflegte, charmante Altstadt mit roten Ziegeldächern, die mehr als ein bisschen an zu Hause erinnert.

Man spricht Deutsch, auf Schritt und Tritt finden sich Spuren der Habsburgermonarchie. Und mittendrin die Schwarze Kirche (schwarz, weil einmal abgebrannt), von der die Rumänen sagen, sie sei der größte Kultbau zwischen Wien und Istanbul. Was an diesem Bau begeistert, ist allerdings eine ganz andere Form von Größe: An den Emporen, am Chorgestühl, an den Wänden – überall hängen in diesem evangelischen Gotteshaus orientalische Gebetsteppiche und kein Christ stört sich daran. Noch etwas nehmen wir aus Kronstadt mit: das sichere Gefühl, dass es stimmt, wenn Engelbert sagt: „Nirgendwo in den Ostländern ist das Deutsche bzw. Österreichische so positiv besetzt wie hier.“ Anders gesagt: Wer in Siebenbürgen mit Rumänien anfängt, macht es sichmit dem Land nicht schwer.

Verringertes Tempo

Etwas mehr guten Willen braucht man außerhalb der bekannten Kulturstädte und fernab der Metropole Bukarest, wenn der Touristen-Kleinbus mit maximal 50 km/h über Schotterstraßen holpert und man nur noch Fahrzeugen mit einer Pferdestärke begegnet. Dann geht es über die Karpaten in die Walachei. Im wahrsten Sinne des Wortes, denn hier beginnt das Wanderprogramm durch Berg und Tal, Wiesen und Wälder, vorbei an Schafherden, Kühen und unzähligen Einsiedlerhöhlen. Und weil es sich im Gehen am besten redet, spricht Cristian jetzt davon, wie das damals war, unter Ceauescu, als er abends bei Kerzenlicht lesen musste und es im Winter nicht mehr als 14 Grad in der Wohnung hatte, weil der Diktator die Energie anderswo brauchte.

Und es geht um die Korruption im Land und den neuen Präsidenten Klaus Johannis als Hoffnungsträger im Kampf gegen diesen Sumpf. Und wie zum Beweis, dass es neben diesem grauen Rumänien ein aufblühendes Land gibt, wirft sich Cristian bei unserem Marsch immer wieder unvermittelt in die Wiese oder ins Gebüsch: Der Orchideenfan hat gerade wieder ein seltenes Pflänzchen entdeckt. So kommen wir zwar nicht ohne Muskelkater, aber sicher ohne Fadesse in einem Örtchen an, in dem Touristen eine Sensation sind – zumal sie auch noch wandern, was der Rumäne so gar nicht tut. Es ist wahr: Die Natur gehört uns Touristen hier ganz allein.

Die Belohnung für die körperliche Schinderei gibt es dann im walachischen Weinland, in der Region „Dealu Mare“. Wir übernachten in (umgebauten) Weinfässern der Pension „La Butoaie“, trinken T(a)mâioas(a), Weißwein mit Weihrauchnote, und lassen uns bei einer Wanderung durch die Weingärten von einem waschechten Franzosen, der hier auf 70 Hektar Grund seit 2006 für seine Winzerfamilie Biowein anbaut, die rumänische Wirtschaft erklären: „Die rumänische Autobahn kostet dreimal so viel wie die deutsche, die Arbeitskräfte sind hier aber zehnmal billiger“, sagt Denis Thomas.

Improvisation ist das halbe Leben

Die Weinregion zieht indes massenweise ausländische Investoren an: „Österreicher, Italiener, Engländer – alle sind schon hier“, sagt Thomas. Für sein Weingut arbeiten nur Rumänen, die Französisch sprechen. Irgendwie bleibt man unter sich, man schließt sich aber nicht ein, wie der Winzer betont. Muss man auch nicht, was wir in unseren Quartieren, in denen es teilweise gar keine Zimmerschlüssel gibt, schnell lernen: Hier wird nichts geklaut, oder sagen wir es so: seltener als hierzulande, was auch die Statistik belegt. Die Armut macht nicht automatisch kriminell, obwohl das rumänische Durchschnittseinkommen von nicht viel mehr als 600 Euro pro Monat kaum zum Leben reicht. Der Sprit etwa ist oft teurer als in Österreich. Auf den Tankstellen steht OMV.

Lebenskünstler wie Cristian und Engelbert haben in der Regel mehr als einen Job und Improvisation ist das halbe Leben, auch in Sachen Tourismus. Das macht diese Art von Urlaub tatsächlich zum Abenteuer, bei dem hinter der letzten Kurve dann noch das Donaudelta ganz großes Kino bietet: Das Wasserlabyrinth aus unzähligen wilden Kanälen, Seen, Sümpfen, Schilfrohrinseln und Sanddünen ist seit 1991 Unesco-Weltnaturerbe und das nicht umsonst: In einer Traumlandschaft aus Seerosen und Schilf mit 320 Vogelarten vom Pelikan bis zu Graureiher, Ibis, Storch und Blässhuhn geht die Seele auf.

Die lauten Motorboote lässt man mit Guides wie Cristian und Engelbert selbstredend links liegen, man nimmt Kanus und tut auf dem Wasser, was man auf dem Land auch schon tat: Langsam in ein Abenteuer eintauchen, mit leichtem Gepäck, damit man immer schön wendig bleibt, weil man nie weiß, was nach dem nächsten Schilfstreifen noch kommt. Ein echtes Erlebnis.