In der wichtigen Besprechung, während der mehrstündigen Prüfung oder auf der langen Zugfahrt. In solchen Situationen verzwickt man es sich gerne einmal, das Pipigehen. Dabei hat man doch von Mamas oder Omas oft gehört: Geh aufs Klo, wenn du musst. Und gibt es da nicht diese Geschichte um den Astronomen Tycho Brahe, der an Harnverhaltung gestorben sein soll? Um Licht in den Mythen-Dschungel zu bringen, haben wir den Urologen Günter Primus gefragt: Ist es ungesund, Harn zurückzuhalten?

„Wenn man gerade nicht aufs Klo gehen kann und einige Zeit zurückhält, ist das gar kein Problem und es passiert nichts“, erklärt Primus. Dehnungsrezeptoren in der Blase melden über die Datenautobahn Rückenmark ans Gehirn, wenn die Blase voll ist – wir spüren das als Harndrang. Wird dieser Drang ab und zu ignoriert, weil es gerade nicht anders geht, ist das nicht weiter schlimm.

Überdehnung möglich

„Betreibt man dieses Aufschieben aber über Jahre regelmäßig, kann es in Ausnahmefällen zu einer Schädigung der Blase kommen“, sagt Primus. Dabei werde die Blase kontinuierlich überdehnt und es kommt zu Problemen bei der Entleerung: Die Blase kann sich nicht mehr richtig zusammenziehen, man hat Probleme beim Harnlassen.

Auch im Kindesalter kann ein solches Problem auftreten – ist aber extrem selten: Wenn Kinder den Harn lange zurückhalten, kann sich die Blase extrem ausdehnen, was im schlimmsten Fall zur Nierenschädigung führen kann. Laut Primus werden diese Kinder im Englischen auch „lazy voider“ (faule Pinkler) genannt.

Ein Frauenproblem

Problematisch kann das Zurückhalten auch für Frauen werden, die oft an Blasenentzündungen leiden. Prinzipiell sind Frauen häufiger von solchen Infektionen betroffen, da ihre Harnröhre sehr viel kürzer (zwei bis vier Zentimeter) ist als die des Mannes (25 Zentimeter). Bakterien haben es daher leichter, sich anzusiedeln.

„Regelmäßig urinieren hat dabei einen Auswasch-Effekt“, sagt Primus. Das heißt: Wer regelmäßig Harn ablässt, spült die Harnröhre durch und macht den Bakterien das Heimischwerden somit schwerer. „Frauen, die häufig an Blasenentzündungen leiden, sollten daher lieber öfter aufs Klo gehen“, sagt der Urologe.

SONJA SAURUGGER