Am Tag - oder besser gesagt Stunden nach dem Sieg des schwedischen Sängers Mans Zelmerlöw beim 60. Eurovision Song Contest in Wien war schon der Moment der Bilanzen gekommen. Und diese fallen letztlich rundum positiv aus - wenn man vom Rekord absieht, den die Makemakes als Österreich-Vertreter aufstellten: Vier Mal 0 Punkte hat sonst noch kein Land in sechs Jahrzehnten ESC ausgefasst.

Unterwegs nach Stockholm

Trotz aller guter Organisation hielt es den Sieger des Musikwettbewerbs nicht mehr lange in Wien. Nachdem er in der Nacht noch gegen 3.30 Uhr eine kurzen Auftritt im offiziellen Euroclub absolviert hatte, bestieg Zelmerlöw bereits gegen 14 Uhr am Flughafen Schwechat die Maschine gen Stockholm. Er wurde bei seiner Rückkunft auf dem Stockholmer Flughafen Arlanda von einer Schar begeisterter Fans und Medienvertreter empfangen. Lächelnd, mit Blumenbouquets überhäuft und mit einer schwedischen Flagge behängt, sagte Zelmerlöw, er habe gerade den "schönsten Flug seines Lebens hinter sich".

Lediglich vier Stunden habe er nach seinem Sieg geschlafen, antwortete der frisch gebackene ESC-"Held" Schwedens geduldig auf eine entsprechende Journalistenfrage. An Bord der Maschine aus Wien habe er gemeinsam mit den anderen Passagieren unter Leitung der Chefstewardess sein Siegerlied "Heroes" gesungen. Noch in der Nacht waren in Stockholm Hunderte auf die Straße geströmt und in Autokorsos durch die Stadt gezogen.

Aber nicht nur die Schweden, auch die Österreicher erwiesen sich in der Song-Contest-Nacht als veritable ESC-Fans. Im offiziellen Eurovision Village am Wiener Rathausplatz versammelten sich bis zu 30.000 Menschen - und das trotz kalter und vor allem nasser Witterung. Allzu langes Nachfeiern war dabei jedoch nicht erlaubt, ließ der Veranstalter doch das Areal um 2 Uhr räumen. "Da das Bühnenmaterial rasch wieder gebraucht wurde, war es eine logistische Herausforderung mit straffem Zeitplan", beschied Martin Brezovich, dessen Agentur eventplan gemeinsam mit zwei anderen das Village verantwortete, der APA.

Keine gröberen Zwischenfälle

Das Resümee der Polizei war dabei eindeutig positiv. Der ESC sei völlig ohne Zwischenfälle über die Bühne gegangen, unterstrich Polizeisprecher Roman Hahslinger. Auch die Befürchtung, dass Banden von Taschendieben das "große Familienevent" ausnutzen könnten, habe sich nicht bewahrheitet.

Erfolgreich fiel auch die erste Bilanz des ORF aus. So habe man nicht nur eine "tolle Visitenkarte abgeliefert", wie Generaldirektor Alexander Wrabetz direkt im Anschluss an die Show meinte. Auch der Publikumszuspruch kann sich sehen lassen: Bis zu 1,9 Mio. Österreicher verfolgten den Finalabend via ORF eins - neuer Rekordwert für eine Song-Contest-Übertragung des Senders. Und obwohl die Makemakes eine Nullnummer betrauern musste, sahen ihren Auftritt in der Wiener Stadthalle immerhin 1,883 Mio. TV-Zuschauer. Entsprechend lobte am Sonntag auch Kulturminister Josef Ostermayer die Beteiligten: "Ich gratuliere allen ganz herzlich, die Teil dieser Message waren, die ein weltoffenes, tolerantes und modernes Bild von Österreich in die Welt getragen haben."

Insgesamt darf konstatiert werden, dass der ORF seine Sache als Ausrichter sehr gut gemacht hat. Von der richtigen Wahl der Halle samt der gelungen Ausgestaltung von Bühne bis Green Room und einer damit einhergehenden intimen Atmosphäre bis zu den Themen Inklusion, Green Event oder "Eurovision Sign" (Darstellung der Songs in internationaler Gebärdensprache) können sich künftige Veranstalter durchaus etwas abschauen vom Wiener ESC. Und auch die hiesige Bevölkerung kann sich über etwas Bleibendes freuen: Die extra angebrachten hetero- und homosexuellen Ampelpärchen bleiben der Bundeshauptstadt nämlich erhalten.

Negativrekord für die Makemakes

Einziger Wermutstropfen blieb also das miserable Abschneiden der Makemakes, die mit 0 Punkten den Negativrekord aufstellten: Weder gibt es ein anderes Land als Österreich, das schon vier Mal mit der schlechtest möglichen Bewertung beim ESC bedacht wurde, noch hat je ein Gastgeberland 0 Punkte erhalten. Die Burschen aus dem Salzkammergut nahmen es jedoch humorvoll und titulierten sich auf Facebook in Anspielung auf das Siegerlied als "We are the ZEROES of our time", während Cartoonist Tex Rubinowitz ankündigte, seine Ausstellung "The Nul-Pointers" mit den ESC-Kandidaten, die 0 Punkte ausfassten, um die Makemakes und Deutschlands Ann Sophie zu ergänzen.

Und wie sah es musikalisch sonst aus? Da sollte man über ein solides, ausgewogenes Starterfeld erfreut sein, dem trotz des Start-Ziel-Sieges von Zelmerlöws "Heroes" nur der Übersong abgegangen ist. Aber sowohl der erstmalige Antritt von Australien mit Guy Sebastian und dem eingängigen "Tonight Again" wie auch Belgiens Loic Nottet ("Rhythm Inside") oder die Lettin Aminata Savadogo, deren "Love Injected" sich zu einer der großen Überraschungen mauserte, sind Zeichen dafür, dass der ESC eine Spur in Richtung Ernsthaftigkeit gerückt ist. Dem Balladenüberdruss konnte man, wenn man wollte, durchaus entgehen. Und kommendes Jahr in Schweden heißt es so oder so wieder: neues Spiel, neues Glück.