Selbst hartgesottene und leidgeprüfte Fans des Song Contests – und ja, auch der Verfasser dieser Zeilen zählt sich ein bisschen dazu – werden es zugeben müssen: Da war schon sehr viel an schlechter Musik dabei, in den jüngsten 60 Jahren. Doch wer glaubt, erst zuletzt habe sich der ehrwürdige Grand Prix Eurovision de la Chanson in eine peinliche "Freak-Show" verwandelt, irrt: musikalisch schwache Songs gepaart mit modisch fragwürdigen Kostümen und ungelenken tänzerischen Darbietungen gab es schon immer, wie ein Blick in die Archive ergibt – danke, YouTube.

Doch geben manche Beiträge aus den 1970er- und 80er-Jahren heute einfach Grund zum Lachen, gab es seit der Jahrtausendwende klar eine Wende zum Schlechten zu verzeichnen: Statt der Ihnen im folgenden präsentierten 15 Titeln aus 15 Jahren könnte man ohne Probleme auch 30, 40 andere skurrile Beiträge finden, die folgende Liste ist also nur eine sehr, sehr kleine Auswahl. Dazu kommen noch fünf längst verschüttete "Perlen" aus dem vorigen Jahrhundert, die Sie jedenfalls gesehen und gehört haben müssen.

Ein sehr langer Abstieg

Woran es liegen könnte, dass ab 2000 viele teilnehmende Staaten eher Clowns denn Künstler zum größten Musik-Wettbewerb Europas schickten? Der Versuch einer Erklärung: 2003 bis 20005 gewannen drei eher uninspirierte Ethnopop-Eurodance-Nummern, 2006 brachen dann mit den finnischen Hardrockern Lordi offensichtlich sämtliche Dämme. Ein Jahr später "verhinderte" die junge Serbin Marija Šerifović mit ihrer Power-Ballade "Molitva" einen Triumph der absurden ukrainischen Nummer von Verka Serduchka (siehe weiter unten). "Molitva" war übrigens der letzte Siegertitel, der in der Landessprache des Interpreten gesungen wurde – und ist mit Sicherheit der beste Gewinnersong der 2000er-Jahre.

2008 und 2009 dürften beide als "anni horribiles" in die Song-Contest-Historie eingehen, seitdem ging es wieder leicht bergauf. Aber überzeugen Sie sich am besten selbst – auf eigene Gefahr für Augen, Ohren und seelische Verfassung. "Have Some Fun"!

Eine mögliche Formel für den Sieg beim Song Contest, wie Sie in den 2000er-Jahren vor allem in einigen osteuropäischen Ländern, aber auch – erfolgreich – in der Türkei und in Griechenland entwickelt wurde: Man nehme ein junges, hübsches weibliches Gesicht mit passabler Stimme, statte die Interpretin mit einem netten Liedchen mit banalem Refrain und Eurodance-Rhythmen aus und vergesse ja nicht auf sexy Tänzerinnen/Sängerinnen im Hintergrund. Was die Tschechen bei Tereza Kerndlová – was für ein Name – leider übersahen: Das mit der Stimme klappte nicht wirklich.

Samt Oma und trojanischem Pferd

Viel Spaß hatten jedenfalls die Jungs der moldawischen Kombo Zdob și Zdub bei ihrer Performance 2005: Die Band, die bereits mit Rage Against the Machine und den Red Hot Chili Peppers aufgetreten war, enterte mit Punk-Attitüde und Großmutter die Bühne. Ihr Beitrag "Bunica bate toba" heißt auf Deutsch "Oma schlägt die Trommel". 2011 waren sie dann wieder am Start, diesmal mit Zwergenhüten.

Svetlana Loboda aus der Ukraine bewies im Krisenjahr 2009, was alles möglich ist: junge, halbnackte Römer, Turnübungen, Lichteffekte, dazu ein als "Höllenmaschine" bezeichnetes großes Rad. Das machte definitiv Eindruck! Für ein politisches Statement entschied sich drei Jahre später der Montenegriner Rambo Amadeus. Bei "Euro Neuro" durfte auch ein trojanisches Pferd nicht fehlen.

Rambo Amadeus wurde bereits 1991 in einem Liedtext erwähnt, und zwar in "Brazil" der jugoslawischen Sängerin Bebi Dol. Die Baby Doll vom Balkan bewies mit Choreographie und Kostümierung jedenfalls Mut. Von der Baby Doll zu "Baby Baby": Mit ihrem Beitrag landeten die auch privat verbandelten Belgier Nicole und Hugo, die heute noch auf Kreuzfahrtschiffen trällern, 1973 einen Song-Contest-"Hit" für die Ewigkeit.

Zwei echte Horrorjahre

Im Superman-Kostüm wollte 2009 der Leadsänger von Gipsy.cz (Tschechien) neue Höhen erreichen, stürzte aber ab. Auch der Bulgare Krassimir Awramow gab sich im selben Jahr der "Illusion" hin, mit zwei Stelzenläufern im Hintergrund reüssieren zu können.

Ein Jahr zuvor lagen dadaistische Beiträge mit (selbst)-ironischem Augenzwinkern hoch im Trend. Wir dürfen Ihnen etwa den Spanier Rodolfo Chikilicuatre ans Herz legen. "Dustin the Turkey" aus Irland, dem siebenfachen Song-Contest-Gewinner, schoss wohl überhaupt den Vogel ab, die Kritik am offensichtlichen Punkteschacher durch einige (süd)-osteuropäische Staaten kam jedoch nicht gut an.

Wege zum großen Erfolg

Na, sind Sie noch "happy"? Welche Wege gibt es noch, um vor fast 200 Millionen TV-Zusehern aufzufallen? Eine mögliche Lösung: Man suche sich ein übergeordnetes Motto mit entsprechend phantasievollen Kostümen und einer spektakulären Performance, dazu ein Refrain, der einfach hängen bleibt. Ein echtes "guilty pleasure", der lettische Piratensong!

"It's My Life" hießen Hits von Bon Jovi, Dr. Alban und No Doubt, die folgende Version ist aber stimmlich am Beeindruckendsten. Wenn gar nichts einfallen mag, eine Erfolgsformel stimmt immer: "Sex sells"! Im Laufe der jüngsten Jahre wurden die Röcke kürzer und die Ausschnitte tiefer. Apropos tief: So ungeniert auf weibliche Reize wie Polen im Vorjahr setzte dann doch kein anderer Teilnehmer.

Das nötige Selbstbewusstsein vorausgesetzt, kann man sich natürlich auch gleich im Vorhinein als Sieger ausrufen lassen.

"Früher war alles besser", werden Sie sich jetzt sicher denken? Mitnichten, wie zwei der legendärsten "Letzten Plätze" aus dem vergangenen Jahrhundert eindrucksvoll unterstreichen.

Eine kleine Prise Wahnsinn

So, gleich haben Sie es überstanden, wozu wir Ihnen herzlich gratulieren dürfen: wie angekündigt der großartig skurrile Auftritt der schrillen ukrainischen Kunstfigur Verka Serduchka, die nur knapp am Sieg vorbei schrammte, gefolgt von der Isländerin Ágústa Eva E(r)lendsdóttir, die für ihren Auftritt als Silvia Night Pfiffe und Buhrufe erntete.

Zum Abschluss noch ein wahres Fundstück aus früheren Tagen – die israelischen Blues Brothers mit der vielleicht vergnüglichsten Nummer, die je beim Grand Prix Eurovision de la Chanson zum Besten gegeben wurde.