Bei rund 20, also der Hälfte der in Wien teilnehmenden Länder stehen die singenden Vertreter bereits fest. Der ORF strahlt heute die erste Etappe auf dem Weg zum rot-weiß-roten Ticket für den 60. Song Contest aus. Nicht live, denn die erste Sendung wurde bereits Anfang Dezember 2014 aufgezeichnet. Hintergrund: Man musste den sechs Kandidaten, die von einer 15-köpfigen Expertenjury aus den 16 Bewerbern ausgewählt wurden, genügend Zeit geben, passende Titel für das größte Wettsingen Europas zu schreiben und zu produzieren.


Denn keines der Lieder, die heute im ersten Kapitel des heimischen Vorentscheids zu hören sind, wird am 23. Mai die rot-weiß-roten Farben repräsentieren. Also weder "Adieu" von Papermoon-Tochter und Schauspielerin Zoe Straub ("Vorstadtweiber") noch „Seit a poa Toag“ der Mundart-Rocker Folkshilfe oder „Heart of Stone“ der berückten Paradiesvögel namens Johann Sebastian Bass. Beim Auftakt geht es für die Künstler darum, mit Bühnenpräsenz, Persönlichkeit und dem musikalischen Potenzial zu überzeugen. Und eben noch nicht um den Eurovisionssong. So werden in die Auftritte immer wieder die Kommentare der Coaches (Anna F., Nazar und BossHoss) sowie die Einschätzungen der Experten (darunter Andi Knoll und zwei Plattenbosse) eingeblendet.

Ungehobene Schätze

Dem ORF ist es gelungen, die nationale Musikszene als bunte Blumenwiese in einer kurzweiligen Show darzustellen. „Das war auch unser Ansatz: dem Publikum einen Überblick über die vielfältige österreichische Szene zu geben und hinsichtlich des stilistischen Genres keine Schere im Kopf zu haben“, erklärt die Sendungsverantwortliche Stefanie Groiss. Dass keine prominenten Namen wie etwa Christina Stürmer, die Seer oder Andreas Gabalier darunter sind, hat laut Groiss mehrere Gründe. Man wollte in erster Linie ungehobenen Schätzen einen Platz geben. Arrivierte Künstler hätten aber durchaus auch Angst vor der Fallhöhe gehabt oder waren für das Frühjahr einfach schon verplant.

Jene sechs Acts, die aufsteigen, bestreiten den ORF-Hauptabend an den kommenden drei Freitagen. Und werden erst am 6. März ihre Lied-Vorschläge für Europa darbieten, die sie gemeinsam mit heimischen und internationalen Songschreibern erarbeitet haben. „Auf dem Weg dahin gibt es Blut, Schweiß und Tränen, wie es eben in jedem künstlerischen Prozess vorkommt“, so Groiss, die aber betont: „Das hat nichts mit Casting-Methoden zu tun, wo oft die Schicksale der Kandidaten und nicht die Musik im Vordergrund stehen.“ Na, dann! Viel Vergnügen!

CHRISTIAN UDE