Auch Udo Jürgens (79) freut sich über Conchita Wursts Triumph. Wir erreichten den rot-weiß-roten Vorzeigesänger in seinem Domizil in Portugal.

Sie waren fast 50 Jahre lang Österreichs einziger Song-Contest-Sieger. Ist Conchita Wurst eine würdige Nachfolgerin für Sie?

UDO JÜRGENS: Absolut. Ich freue mich riesig, dass sie gewonnen hat. Noch dazu mit einem sehr schönen Lied, das starke Konkurrenten hatte. Es war ja ziemlich grauenvoll, was da in früheren Jahren abgeliefert wurde.

Keine Spur von Wehmut wegen des Verlusts Ihres österreichischen Alleinstellungsmerkmales?

JÜRGENS: Ach wo. Ich freu mich wirklich sehr, aber ich hätte mich wohl auch gefreut, wenn eine Albanerin mit Bart gewonnen hätte. Ich sehe den Song Contest nicht durch die nationale Brille. Ich würde immer für das beste Lied plädieren, egal von wo es herkommt.

Das klingt sehr danach, als würden Sie mit Conchitas Triumph auch eine gesellschaftspolitische Botschaft verbinden.

JÜRGENS: Auf jeden Fall. Allein dass Länder wie Spanien oder Irland zwölf Punkte geben, ist ein tolles Signal in Richtung Freiheit und Emanzipation des Individuums. Angesichts der Äußerungen eines Herrn Strache oder Putin, die offenbar die Welt nicht mehr verstehen, ist das eine wunderbare Genugtuung für mich. Der Auftritt von Conchita Wurst hat die konservativen Weltanschauungen und das herkömmliche Rollenverständnis von Mann und Frau ganz schön durcheinandergewirbelt.

Trauen Sie der bärtigen Sängerin noch eine große Karriere zu?

JÜRGENS: Ich kenne Conchita Wurst nicht persönlich. Ich habe nur zwei Interviews mit ihr gesehen und finde sie sehr sympathisch. Aber letztlich entscheidet die Qualität ihrer Lieder. Ich habe ja immer selber komponiert. Sie dagegen muss einem Team vertrauen. Wenn die Lieder nichts taugen, kann man noch so gut singen, dann wird sie sofort wieder weg sein. Der Sieg beim Song Contest ist ein absoluter Wendepunkt im Leben eines Musikers. Du überspringst damit auf deiner Karriereleiter gleich mehrere Stufen nach oben. An der Spitze zu bleiben, schaffen aber nur die wenigsten.

Apropos: Welche Erinnerungen verbinden Sie mit Ihrem eigenen Triumph? War der damalige Hype mit dem heutigen vergleichbar?

JÜRGENS: Es ist heute ein unfassbarer und viel größerer Event. 1966 war das Fernsehen ja noch ziemlich jung. Aber es war schon damals eine riesige Veranstaltung, vor welcher die "Bild"-Zeitung übrigens titelte: "Udo Jürgens hat keine Chance".

Gewonnen haben Sie dann mit doppelt so vielen Punkten wie die Zweitplatzierte . . .

JÜRGENS: Ja, einfach unglaublich. Aber es dauerte anderthalb Stunden, bis das Ergebnis feststand. Es waren die längsten 90 Minuten meines Lebens.