Wenn man es in Zeiten von Pirate Bay und Co. schafft, ein Album weltweit über eine Million Mal zu verkaufen, dann hat man augenscheinlich irgendetwas richtig gemacht. Ben Howards Debutalbum "Every Kingdom" erschien 2011 und war kein Chartstürmer und auch kein schneller Durchbruch. Stattdessen hat der 27-jährige Brite sich langsam aber stetig eine beachtliche Fangemeinde angesammelt und hat auf seiner aktuellen Tour endlich auch den Weg nach Österreich gefunden. Mit "Every Kingdom" hat Howard damals einen neuen, eigenen Sound geschaffen, der getragen wird von dieser klaren Stimme, die immer so klingt, als würde sie einem aus der Dunkelheit entgegen hallen.

Zweites Album

Das vor wenigen Wochen erschienene zweite Album "I forget where we were" ist schwermütiger und ausgefeilter geraten. Es scheint, als hätte Ben Howard das Album genau für diesen nasskalten Novemberabend geschrieben. Musik zum Verkriechen ist das, für Tage ohne Licht. Live werden die Songs zu gigantischen Klanggerüsten, die selbst der gasometertypische Soundbrei nicht vermurksen kann. Das liegt zu einem großen Teil an Howards fantastischer Band, allen voran eine Multiinstrumentalistin, die zwischen Bassgitarre, Percussions, Keyboard, Gesang und Cello wechselt und von der sich Howard in punkto Bühnenpräsenz gerne noch ein bisschen was abschauen darf.

Der wirkt nämlich mitunter, als würde er sich am liebsten hinter seiner Gitarre verstecken. Mit gesenktem Kopf trägt er seine Lieder vor, die sich um die Liebe drehen, um das Verlieren und das Scheitern an so ziemlich allem. Doch diese traurigen Songs, die erst so leise und verhuscht daherkommen und am Ende trotzig aus dem Saal stampfen, die beherrscht der Brite wie kaum ein anderer. "Time is dancing" etwa hebt gemächlich an und donnert schließlich mit lautem Beat aus den Boxen, "End of the affair", eines der Highlights des neuen Albums, ist ein achtminütiges Epos, das so kraftvoll und gleichzeitig zerbrechlich klingt, dass man fast ein wenig ehrfürchtig werden mag.

Neue Kreationen

Dass Howard sich eine geschlagene Stunde lang weigert, auch nur einen einzigen Song aus dem Debutalbum zu spielen, obwohl die Sprechchöre, die nach Gassenhauern verlangen, immer lauter werden, macht ihn nur noch sympathischer. Da verweigert sich endlich einer der Best-Of-Mentalität, die in Konzerten in den letzten Jahren so populär geworden ist und präsentiert lieber seine neuen Kreationen. Das ist mutig und stößt viele Besucher merklich vor den Kopf, denn die hatten bekannte Melodien erwartet, ein paar Singalongs vielleicht, ein bisschen was zum Mitklatschen. Stattdessen wird das gesamte neue Album durchgespielt, erst kurz vor Ende des Sets erklingt dann mit "Oats in the water" der erste ältere Song, dieser große Wurf von einer EP aus dem letzten Jahr. Im Zugabenblock lässt Howard sich dann doch noch zu ein paar Hits hinreißen. "The Fear" zeigt, dass "Every Kingdom" auch heute noch völlig zurecht ein virtuoses Album ist. Das Ende bildet "Black Flies", ein stiller, würdiger Abschied. Wer emotional noch nicht im November angekommen war, ist es spätestens jetzt, auf bestmögliche Art.

Von Caroline Metzger / Fotos: Georg Kukuvec