Der Kärntner Josef Winkler (62) ist einer der prominentesten österreichischen Schriftsteller. 1979 wurde er beim Bachmann-Preis nur knapp von Gert Hofmann geschlagen, 2007 erhielt er den Großen Österreichischen Staatspreis, 2008 den Georg-Büchner-Preis.

Herr Winkler, was sagen Sie über den Büchner-Preisträger 2015, Rainald Goetz?

Josef Winkler: Wenn ich mir vorstelle, dass ich schon vor sieben Jahren den Büchner-Preis bekommen habe, dann war es höchste Zeit, dass Rainald Goetz den Preis endlich auch bekommt. Ich freue mich sehr darüber. Ich kenne ihn und sein Werk seit über drei Jahrzehnten. Ich habe ihn immer für einen der Besten gehalten, was Radikalität, Sprachpräzision und sprachliche Kreativität betrifft. Wir haben mit ihm auch eine spannende Vergangenheit: Er war ja beim Bachmann-Wettbewerb in Klagenfurt und hat sich hier, wie jedermann weiß, die Stirn mit einer Rasierklinge verletzt.

Diese Aktion im Jahr 1983 wurde sehr unterschiedlich aufgenommen.

Winkler: Damals ist ein Radikaler angetreten, der gesagt hat, was ihm die Sprache bedeutet - nämlich unter Umständen auch Stirn aufschneiden. Sprache kommt ja aus dem Kopf. Wenn man sich dagegen anschaut, was die heutige Generation für halblustige Geschichten macht... Ich kann mich gut erinnern: Seine Stirn war dann mit Hansaplast verklebt, und so sind wir gemeinsam in die Disco.

Sie waren in den vergangenen Tagen bei den Lesungen des Bachmann-Wettbewerbs. Wie fanden Sie die Qualität des Gebotenen?

Winkler: Ich glaube, dass diese Jury eine einmalige Chance vertan hat. Im Vorjahr war die Qualität sehr bescheiden. Wenn eine der Frauen, die heuer in die Endauswahl gekommen sind, damals angetreten wäre, hätte sie sicher den Bachmann-Preis bekommen. Der Bewerb hatte so hohe, dichte Qualität wie seit ein oder zwei Jahrzehnten nicht. Man hätte heuer die Chance gehabt, eine klassische Erzählung auszuzeichnen, einen literarischen, poetischen Text, den man später vielleicht in erweiterter Form als Buch lesen kann. Ich war dabei, als die Preisträgerin ihren Text gelesen hat und habe ihn auch noch nachgelesen - das ist eine sehr dünne, erschreckend dürre Sprache! Ich hab das Ganze als Material für ein Hörspiel gehört. Dass er gut gemacht ist, ist das mindeste, das man verlangen kann - das ist Handwerk. Sonst sind wir ja im Kindergarten! Aber inzwischen ist das Drumherum, die Show und das Vorlesen-Können mitentscheidend. Das finde ich sehr traurig.

Der Kärntner Kulturlandesrat Christian Benger (ÖVP) war weder beim Bachmann-Preis, noch beim 100. Geburtstag von Christine Lavant, obwohl er dort als Redner angekündigt war. Ist er überhaupt schon gesehen worden?

Winkler: Es gibt zwar auf dem Papier einen Kulturreferenten, aber in Wahrheit wird er nicht wahrgenommen, weil er nirgendwo ist. Ich vermute, dass der Herr überfordert ist und befürchtet, dass er sich blamiert. Aber die jetzige Regierung von SPÖ, ÖVP und Grünen hätte ja in den Verhandlungen dafür sorgen können, dass es einen tatsächlich kompetenten Kulturreferenten gibt. Wenn sie schlau gewesen wären, hätten sie sich darauf geeinigt, den sensiblen Bereich der Kultur nicht politisch einzugrenzen. Mein Wunsch wäre gewesen: kein Profi-Politiker. Dem hätte man dann ein bestimmtes Budget zur Verfügung gestellt, um zu gestalten.

Gestaltungsspielraum scheint es in Kärnten aber gar keinen zu geben. Das Land scheint unter enormem Druck, Aufräumungsarbeiten zu leisten. Und in der Kultur binden Verträge der Vorgängerregierung Mittel noch über viele Jahre.

Winkler: Seit meiner Eröffnungsrede 2009 beim Bachmann-Preis rede ich von den korrupten Politikern und den Kapitalverbrechern. Der Herr, der dafür verantwortlich ist und leider nicht mehr lebt, Herr Haider, hat sich, wie ich damals gesagt habe, mit seiner Asche aus dem Staub gemacht. Er war ja der König von Kärnten. Irgendwann hätte man ihn vom Thron runterholen müssen. Jetzt wäre es ideal, wenn er da wäre.

Waren Sie vom Ausmaß dessen, was jetzt an den Tag tritt, überrascht?

Winkler: Natürlich hat mich das auch überrascht. Seit Jahren wissen wir, dass da Gelder in der Luft herumschwirren, und jetzt wissen wir auch, dass das alles, wie es so schön heißt, schlagend wird. Das Perverse ist ja, dass nicht nur unsere Kinder, sondern sogar noch die Ungeborenen und die Ungezeugten dafür büßen werden müssen. Und Klagenfurt hat noch immer keine Stadtbibliothek.

Auch in der Republik muss massiv gespart werden.

Winkler: Es ist ja ungeheuer viel Geld vernichtet worden. Die Zuständigen versuchen jetzt verzweifelt, irgendwo etwas einzusparen. Da wird niemand verschont werden, auch Kunst und Kultur nicht. Da brauchen wir uns keine Illusion machen.

Als Kunstsenatsvorsitzender leiten Sie ein Gremium, das zumindest auf dem Papier Beratungsfunktion für die Regierung hat. Sucht man Ihren Rat?

Winkler: Wir hatten mehrere Treffen mit Kulturminister Josef Ostermayer (SPÖ, Anm.). Wenn einer aus dem Kunstsenat eine gute Idee hat, kann er sie dort vortragen. Aber dass wir eine besondere Einflussmöglichkeit oder gar Macht hätten, ist eine Illusion.

Sie könnten aber vielleicht darauf hinweisen, dass es besonders heikel wäre, bei der Kultur zu sparen?

Winkler: Ich möchte nicht die einen gegen die anderen ausspielen. Wir können nur ein moralisches Plädoyer für die Kunst halten. Man kann nur schauen, das Beste rauszuholen und darauf hoffen, dass der Minister darum kämpft, dass für die Kultur soviel Geld da ist wie möglich. Klar ist: Die Situation ist für die Künstler noch schwieriger geworden. Für manche ist sie existenzgefährdend.

INTERVIEW: WOLFGANG HUBER-LANG/APA