PeterTruschner könnte bei den am 1. Juli beginnenden 39. Tagen der deutschsprachigen Literatur den Status des Lokalmatadors einnehmen - doch der 47-jährige Klagenfurter lebt seit 1999 als Schriftsteller und Fotograf in Berlin. Er studierte Philosophie, Politik und Kommunikationswissenschaft und lehrt "Interdisziplinäre künstlerische Praxis und Theorie" an der Universität der Künste Berlin.

Sein Romandebüt "Schlangenkind" erschien 2001, sein Roman "Die Träumer" wurde 2007 für den Deutschen Buchpreis nominiert. Protagonist seines 2013 erschienen dritten Romans "Das fünfunddreißigste Jahr" war ein lust- und antriebsloser Ich-Erzähler in der Midlife-Crisis. Im Herbst soll sein Foto-/Textbuch "Bangkok Struggle" erscheinen, das in Wort und Bild den täglichen Kampf ums Überleben in Bangkok zeigt.

Wettlesen bedeutet Stress, öffentliche Kritik, Ausgesetzt-Sein. Warum tun Sie sich das an?

PeterTruschner: Weil es gut für meine Arbeit ist. Und weil ich glaube, dass der Text im Wettbewerb eine interessante Rolle spielen, zumindest aber auf das Romanprojekt aufmerksam machen kann, dessen Teil er ist.

Wie intensiv haben Sie in den vergangenen Jahren die Tage der deutschsprachigen Literatur verfolgt?

PeterTruschner: Kaum. Als ich jünger war, hat es mich sehr interessiert. Nun, da ich mit der Zeit in meinem Leben als Künstler angekommen bin, wird die Orientierung an Wettbewerben, Preisen oder auch aktuellen Debatten deutlich geringer, obwohl man sich natürlich weiterhin über einen Preis oder ein Stipendium freut.

Wie sehr sind Sie sonst Teil dessen, was man "Literaturbetrieb" nennt? Kann man sich dem überhaupt verweigern?

PeterTruschner: Im Grunde nehme ich am Literaturbetrieb kaum teil. Es gibt nicht wenige, die mir das als Arroganz auslegen, dabei hat es biografische und arbeitsbezogene Gründe. Einerseits bin ich nicht nur Schriftsteller, sondern auch Fotograf, Dramatiker, Librettist und Dozent an der Universität; anderseits unternehme ich seit Jahren zeit- und arbeitsintensive Reisen, vor allem nach Asien. Aus all dem ergibt sich, dass ich einfach keine großen Ressourcen habe, um am kontakt- und seilschaftsintensiven Betrieb teilzunehmen. Hinzu kommt, dass ich vom Typ her eher ein Selfmademan und Weltenbummler als ein Schreibtischplattenbewohner und Betriebsmensch bin.

Sie wurden in Klagenfurt geboren. Warum sind Sie weg? Und wie lebt es sich so in Berlin?

PeterTruschner: Ich denke, jeder junge Mensch, der etwas Besonderes mit sich vor hat oder einfach nur etwas erleben will, sollte irgendwann die Beine in die Hand nehmen und aus Klagenfurt abhauen. Berlin war zu Beginn wie eine Therapie gegen die diversen Symptome, die das Leben in österreichischen oder deutschen Kleinstädten zeitigt. Ich habe es sehr genossen, in der Anonymität unterzutauchen, bin oft innerhalb der Stadt umgezogen, während andere es sich in ihrem Kiez bald so gemütlich gemacht haben wie zu Hause.

Es gibt ja nahezu ein eigenes Genre "Bachmannpreis-Text". Mit welcher Art von Text werden Sie antreten?

PeterTruschner: Mit einem im Rahmen dieser Veranstaltung in seiner Härte eher ungewöhnlichen Text. Die Härte ist jedoch keine spekulative und nicht als Provokation gemeint, sondern a) als eine Reaktion auf die Härte der Lebensumstände vieler Menschen am unteren Rand der kapitalistischen Produktionskette, die ich im Zuge meiner Reisen hautnah erlebt habe; b) als Reaktion auf die sich verschärfende ökonomische Situation in Europa und ihre vielfältigen Konsequenzen, von drohenden Staatspleiten, Jugendarbeitslosigkeit bis hin zu den unwillkommenen Migrantenströmen; c) als Reaktion auf Erzählformen, die der Gegenwart deutlich mehr verpflichtet sind als die meisten deutschsprachigen Romane oder Filme, von den Filmen Kim Ki Dukks bis hin zu einer Serie wie "True Detective".

Sie haben in einem Interview erzählt, ein Text von Ihnen "in dem es zwischen einem Mann und einer Frau ordentlich zur Sache geht", sei von einem Bachmann-Juror einst abgelehnt worden. Ist das literarische Klima heute freier als damals?

PeterTruschner: Kaum. Da mit der Literatur heute zumeist eine angenehme Mittelschichtsexistenz anvisiert wird, besteht die Szene aus Leuten, die in der Mehrzahl sicherheitsbedürftig und kopflastig, zugleich wenig risikofreudig und körperbetont sind. Dieser Typus meidet die Konfrontation mit Extremen und Widersprüchen und trägt eher Fakten und Geschichten über Fleischfabriken, Bordelle oder Gefängnisse zusammen, anstatt sich ihnen leibhaftig auszusetzen.

Was sind Ihre schlimmsten Befürchtungen und Ihre schönsten Hoffnungen für Klagenfurt?

PeterTruschner: Da mein Werk und meine Person - wenn überhaupt - kontrovers diskutiert werden, habe ich mit Ablehnung zu leben gelernt. Für meine Arbeit wäre es hilfreich, einen Preis zu gewinnen.

INTERVIEW: WOLFGANG HUBER-LANG