Der Euopean Newspaper Congress im Wiener Rathaus widmet sich vor dem Hintergrund der Flüchtlingskrise und der politischen Veränderungen am Kontinent vor allem den massiven Umwälzungen in der Medienbranche, die immer noch vom digitalen Hype in Atem gehalten wird.

Organisator Johann Oberauer eröffnete den Kongress, bei dem Chefredakteure und Herausgeber aus 39 Ländern angereist sind, mit einem Hinweis zu den Veränderungen, "die wir nicht im Griff haben. Nicht die Gesellschaft, nicht die Politik, nicht die Medien." Die Menschen, die über die Grenzen hereingedrängt haben, hätten "uns an unsere Grenzen gebracht". Es stehe in einer sich stark gespaltenen Leserschaft immer stärker auch die Glaubwürdigkeit der Medien auf dem Spiel. (Wer dem Kongress-Gezwitscher auf twitter lauschen will, kann das unter #enc2016 tun.)

Lady Gaga schwört dem Internet ab

Zukunftsforscher Horx sieht die Chance für Print, für Qualitätsmedien auf allen Plattformen in der allgemeinen digitalen Ermüdung der User. Das Internet ist die Empörungsmaschine, Gerüchteschleuder, der sogar schon Popstars wie Lady Gaga abschwören. Das Clickbaiting - geheimnisvolle Teaser a la "Du wirst nicht glauben, was dann passiert ist!" - verliert an Kraft. "Es erwischt die Menschen beim untersten Zipfel ihrer Denkfähigkeit, der Neugier und der Naivität."

Alarmismus weckt den Mob

Selbst Qualitätsmedien würden durch das Internet zu Horten des journalistischen Alarmismus, der eine Realität konstruiere, die für Panik sorgt und als Folge gründet sich der Mob, im Netz, in der Wirklichkeit. Statt Sinnproduktion, Welteinordnung und Zukunftsdiskurs zu leisten, erliege man der Versuchung mit Skandal, Erregung und Alarmismus zu betreiben. Am Ende bleibt von all den Angeboten ein digitaler Brei, der nicht mehr differenziere und der nicht mehr konsumiert werde. "Wenn dann die Menschen, ihren Fernseher weggeben und nicht mehr im Internet hängen, wäre das eine Chance für die Zeitung. Wenn die Menschen in dem irren, weißen Rauschen nicht gleich alle Medien stornieren."

Smartphone raubt Seele

Es breche das Zeitalter der Achtsamkeit an, die digitale Revsion habe begonnen: "Die Menschen merken, dass ihnen das Netz, das Smartphone die Seele raubt." Twitter stagniere, 1000 Facebook-Freunde seien die neue Einsamkeit. Jeder Megatrend führt zu einem Gegentrend: "Vinyl, Polaroidfotos, das alles kehrt zurück. Das E-Book hat das Buch nicht besiegt." Es gebe auch Talkshows in Dänemark, die nicht den Alarmismus, das Negative, das Eskalierende in den Focus rücken, sondern die Einordnung der Probleme und deren Lösung in den Mittelpunkt stellen.

Glaubwürdige Autorität in der Welterklärung

Was könnte eine Renaissance von Print auslösen? Die Sehnsucht nach Einordnung, Orientierung, einer Autorität, die das glaubwürdig kann und tut. Konstruktiver Journalismus, also das Verfolgen der Lösung statt zu spalten, zu skandalisieren und zu erregen, sei gefragt. Die Welt zu kuratieren, zu verstehen, zu vermitteln - das sei das Prinzip der Renaissance von Zeitungen, schließt Zukunftsforscher Horx seinen Vortrag.