In der Debatte rund um die Schmäh-Kritik und die Folgen, zieht man jetzt offenbar die Notbremse. Jan Böhmermann, die Produktionsfirma und der ZDF haben die für Donnerstag geplante Sendung "Neo Magazin Royal" abgesagt:

In den sozialen Medien erntete diese Entscheidung vor allem Unverständnis.

Merkel betont Bedeutung von Meinungsfreiheit

Die deutsche Kanzlerin Angela Merkel hat in der Causa die Bedeutung der Meinungsfreiheit in Deutschland hervorgehoben: "Diese Grundwerte gelten unbeschadet aller politischen Probleme, die wir miteinander besprechen", sagte Merkel am Dienstag in Berlin. Die Kanzlerin betonte, dass sie in der Flüchtlingskrise eine gemeinsame Lösung mit der Türkei anstrebe. Die Frage des Flüchtlingsabkommens zwischen Ankara und der Europäischen Union sei von der Kontroverse um die Böhmermann-Satire und dem Schutz der Meinungsfreiheit in Deutschland aber "völlig entkoppelt".

"Sehr sorgfältige" Prüfung

Merkel erklärte, dass das türkische Ersuchen nach einem Strafverfahren wegen Beleidigung eines ausländischen Staatsoberhaupts von der Bundesregierung "sehr sorgfältig" geprüft werde. Die Prüfung werde in den nächsten Tagen abgeschlossen.

Böhmermann hatte Erdogan in einem Gedicht, das er in seiner Sendung "Neo Magazin Royale" als "Schmähkritik" angekündigt hatte, mit Worten unter der Gürtellinie beleidigt. Für das von der Türkei verlangte Vorgehen wegen Beleidigung eines ausländischen Staatsoberhaupts ist die Zustimmung der Bundesregierung erforderlich.

Am Montag stellte Erdogan daneben auch persönlich Strafanzeige gegen Böhmermann wegen Beleidigung. Dieser Rechtsweg kann unabhängig von der Entscheidung der Bundesregierung beschritten werden. Mit dem Fall ist die Staatsanwaltschaft Mainz befasst.

Merkel gerät wegen ihres Umgangs mit der Affäre innenpolitisch zunehmend unter Druck. Die Kanzlerin hatte Böhmermanns Gedicht in einem Telefonat mit dem türkischen Ministerpräsidenten Ahmet Davutoglu als "bewusst verletzend" bezeichnet. Kritiker werfen ihr vor, beim Schutz der Meinungsfreiheit vor der türkischen Regierung einzuknicken.

Skepsis innerhalb der Regierung

Auch in den Reihen der eigenen Regierung wird das Strafverfahren gegen Böhmermann kritisch gesehen. "Wir sind skeptisch, ob das Strafrecht der richtige Weg sein kann", verlautete am Dienstag aus dem Umfeld von Außenminister Frank-Walter Steinmeier, einem Sozialdemokraten. SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann sagte indes, seine Partei sei bereit, eine entsprechende Regelung in Paragraf 103 des Strafgesetzbuchs ersatzlos zu streichen, auf die sich der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan berufe.

Laut einer Umfrage spricht sich die Mehrheit in Deutschland gegen Ermittlungen der Staatsanwaltschaft aus. 54 Prozent aller Befragten, die die Debatte über das Gedicht verfolgt hatten, finden laut einer repräsentativen Umfrage des Meinungsforschungsinstituts YouGov die Ermittlungen gegen den Satiriker "ganz und gar nicht angemessen". Lediglich sechs Prozent befürworten diese.