Dirk Kaftan, musikalischer Leiter der Oper Graz und Chef des Grazer Philharmonischen Orchesters, soll ab 2017 Generalmusikdirektor in Bonn werden und an der Spitze des Beethoven Orchesters stehen. Die Findungskommission, die sich um die Nachfolge des Schweizers Stefan Blunier kümmerte, der bereits Ende dieser Spielzeit auf eigenen Wunsch aus dem Amt scheidet, hat einstimmig für den 44-jährigen Deutschen votiert. Nun wurde der Bonner Stadtverwaltung der Personalvorschlag unterbreitet, schon morgen soll sich Kaftan den Kultursprechern der Ratsfraktionen persönlich vorstellen.

Turbulenzen

Obwohl sich die Nachricht in den Medien NRWs rasch verbreitete: Offiziell war die Personalie bis gestern noch nicht. Aus der Grazer Oper verlautete nur, dass Kaftan zwar tatsächlich als Erstgereihter aus dem Hearing für den begehrten Posten hervorgegangen sei, aber man habe hier noch nichts verhandelt und es sei noch alles offen. Dirk Kaftan selbst war nicht zu erreichen.

Die erste Kandidaten-Runde im vergangenen Frühjahr war übrigens von Turbulenzen begleitet gewesen, weil das Beethoven Orchester –  anders als jetzt – bei der Suche nicht eingebunden worden war und heftig dagegen protestiert hatte.

In Bonn gibt es seit jeher Diskussionen um die Ausrichtung von Theater Bonn und Beethoven Orchester. Zur anstehenden Entscheidung äußert sich zum Beispiel der „Bürger Bund Bonn“, eine freie Wählergemeinschaft, folgendermaßen: „Wir begrüßen es, dass die monatelange Hängepartie für das Beethoven Orchester beendet ist. Wir erwarten vom neuen Generalmusikdirektor Kaftan aber, dass sich das Orchester künftig vorrangig mit Sinfoniekonzerten präsentiert und nicht dem Bühnenbetrieb untergeordnet und so zu einem Opernorchester ,gestutzt’ wird“.

Idealkandidat

Andere, wie Detlef Brandenburg vom Fachmagazin „Die Deutsche Bühne“, sagen: „Eine gute Wahl! Dirk Kaftans Vorgänger haben ihren Ehrgeiz in den Konzertbetrieb des Orchesters gesteckt und die Oper oft reichlich stiefväterlich behandelt. Mit ihm kommt nun die Hoffnung nach Bonn, dass der zukünftige Generalmusikdirektor sich in beiden Bereichen engagiert einbringen wird. Das ist genau das, was diese Stadt braucht“.

Stempel

Im Jänner 2013 hatte ja Johannes Fritzsch überraschend und mitten in der Saison seinen Abschied bekannt gegeben und ging nach Australien zurück, wo seine Familie lebt. Jetzt droht der Oper erneut der frühzeitige Verlust ihres Chefdirigenten. Auf der Homepage von Dirk Kaftan heißt es, „auf Menschen zugehen“ sei ihm wichtig: Geht er künftig also auf die Bonner zu und von den Grazern weg? Wäre ewig schade. Denn der Dirigent hat seit Herbst 2013 mit seiner so lebhaften wie leidenschaftlichen Arbeit, mit seinen erfrischenden Zugängen und mit seinen inspirierten Interpretationen von Bühnen- wie Konzertmusiken der Grazer Oper seinen Stempel aufgedrückt.

MICHAEL TSCHIDA