Makellos ist es nicht - das Gesicht von Jonas Nay. Eine Narbe ziert die Stirn, die Augenpartie ist asymmetrisch, der Blick bestechend. "Man kommt nicht mehr los von diesem Gesicht", hat Schauspielkollege Tobias Moretti einmal gesagt. Beide waren zuletzt für den TV-Preis Bambi nominiert. Auch wenn Moretti ihn überreicht bekam, kann der 25-jährige Nay, der dem Begriff Nachwuchstalent längst entwachsen ist, schon auf viele Auszeichnungen wie den Grimme-Preis verweisen. In der Rolle eines gemobbten Schülers in "Homevideo" wurde er 2011 zum gefeierten Shootingstar. Mit der Hauptrolle in der achtteiligen Agentenserie "Deutschland 83" (ab heute 20.15 Uhr, RTL) ist er auf dem Sprung zu einer internationalen Karriere. Mit dieser inneren Zerrissenheit des DDR-Spions wider Willen, der in die BRD eingeschleust wird, leidet man sofort mit.

Was war Ihr erster Gedanke, als Sie das Buch von "Deutschland 83" gelesen haben?
JONAS NAY: Das Buch trifft es. Ich habe auf Grundlage von zwei Büchern zugesagt. Bei einer Serie ist es die schlimmste Aufgabe, das Meisterstück, eine erste Folge so zu gestalten, dass sie aufregend ist und die Zuschauer sofort fesselt. Auch ich wollte sofort wissen, wie es weitergeht. Dann habe ich mich mit Hauptautorin Anna Winger getroffen. Sie hat mich mit auf die Reise durch acht Folgen genommen.

Waren Sie danach trotzdem noch bei dem Casting?
NAY: Ja, es gab ein Casting, das habe ich auch absolviert. Was ich erst später erfahren habe, war, dass Anna mich aber tatsächlich während des Schreibens schon in der Rolle des DDR-Agenten Martin Rauch gesehen hat. Sie kannte mich aus dem Film "Homevideo". Während des Schreibens hatte sie sogar ein Bild von mir an der Wand hängen.

Die Miniserie erzählt von einem sehr spezifischen Aspekt des deutsch-deutschen Konflikts im Kalten Krieg. Sie lief zuerst in den USA und wurde, noch vor dem Start im deutschen TV, in mehr als 20 Länder verkauft. Wie geht das?
NAY: Eine deutsche Serie hat in den USA funktioniert; also kann sie überall funktionieren. Das ist ein internationales Format, und wir können uns mit großen US-Serien messen - auf unsere kleine, beschauliche Art und Weise. Es ist durchaus auch eine politische Serie. Die Charaktere sind zwar fiktional, aber wir hanteln uns an den realen Ereignissen von 1983 entlang.

Sie wurden 1990 geboren, ein Jahr nach dem Mauerfall. Ehrlich: Was haben Sie davor über das deutsche Schicksalsjahr 1983 vor dem Hintergrund der Entwicklung von Pershing-2-Raketen und diplomatischer Eskalation gewusst?
NAY: Wir wurden im Vorfeld mit jeder Menge Hintergrundwissen versorgt. Aber in erster Linie habe ich mich mit meiner Rolle und dem Drehbuch beschäftigt. Ich komme aus Lübeck, also aus dem Westen, die Grenze zur ehemaligen DDR verlief in der Nähe.

Ist für Sie als junger Schauspieler aus Deutschland ein Traum wahr geworden - dass Sie die Hauptrolle einer Serie bekommen haben, die auch in den USA läuft?
NAY: Für die Premiere bin ich nach New York geflogen. Ich war vorher noch nie in den USA. Das war schon ziemlich aufregend. Ich bin aber keiner von denen, die schon als Kind gesagt haben: Ich möchte Schauspieler werden. Es ist mir passiert; insofern habe ich auch nicht den Traum verfolgt, mit meinen Filmen in den USA erfolgreich zu sein.

Ihre nächsten Projekte?
NAY: Ich habe gerade einen Film in Berlin und Bornholm gedreht: "Schweigeminute", die Verfilmung der letzten veröffentlichten Novelle von Siegfried Lenz, in der es um eine Beziehung zwischen einem Schüler - den spiele ich - und einer Lehrerin - gespielt von Julia Koschitz - geht.