Das erste Holocaust-und Toleranzzentrum Österreichs wird am Montag (9. 11.) in Graz offiziell eröffnet. Untergebracht ist es im Untergeschoß der Synagoge der steirischen Landeshauptstadt, initiiert wurde es vom Israelitischen Kulturverein. Eine Ausstellung, welche die Erinnerung an den Holocaust wachhalten soll, sowie laufende Forschung zu österreichischen Opfergeschichten sind die Eckpunkte des Zentrums.

Während des Holocaust wurden rund sechs Millionen jüdische Männer, Frauen, Kinder und Jugendliche ermordet. Auch die jüdische Gemeinde Graz, die ursprünglich an die 2500 Mitglieder zählte, wurde nahezu ausgelöscht und erholte sich nie mehr von den Auswirkungen des Holocaust. Bereits 1940 erklärte sich die "Stadt der Volkserhebung" der Nazis als "judenrein", schilderte Ruth Kaufmann. Die Präsidentin des Israelitischen Kulturvereines Graz führte am Freitag durch die Ausstellung im Untergeschoß der Grazer Synagoge, die vor allem für den Besuch von Jugendlichen und Schülern konzipiert wurde.

"Wir sind froh, dass wir geschafft haben, das umzusetzen, was wir uns vorgenommen haben", sagte Kaufmann. Zum einen soll über die Gräuel des Nationalsozialismus aufgeklärt und an die zahlreichen Opfer der Shoah gedacht werden. Wichtig ist den Grazer Initiatoren auch, mit der Ausstellung dazu beizutragen, Vorurteile abzubauen und Toleranz und interkulturelle Kommunikation fördern. Geplant sind im Zentrum auch Workshops für Schüler und Lehrer, Vorträge, Symposien, die Erstellung von Lehrmaterialien und Forschung über den Holocaust in Kooperation mit Fachstellen. An Subventionen wurden dem Projekt 100.000 Euro von der Stadt Graz und dem Land Steiermark, sowie 41.000 Euro von Zukunftsfonds, Arbeiterkammer, Wirtschaftskammer und Nationalbank zur Verfügung gestellt.

Die in Zusammenarbeit mit dem Centrum für jüdische Studien an der Universität Graz entstandene Ausstellung stellt zwei Jugendliche, die im Jahr 1938 gerade einmal 13 bzw. 14 Jahre alt waren, in den Mittelpunkt der historischen Betrachtung. Bert Kaufmann, den heute 90-jährigen Vater Ruth Kaufmanns, den seine Emigration durch drei Kontinente führt, hat den Holocaust überlebt. Der Traum von Adele Kurzweil, in Amerika Modezeichnerin zu werden, sollte sich nicht erfüllen. Sie wurde 1942 im KZ Auschwitz ermordet. Die Erzählungen dieser beiden jungen Menschen, die der Nachwelt erhalten geblieben sind, führen den Besucher durch die wichtigsten Ereignisse vom sogenannten "Anschluss", über die Pogromnacht bis hin zur Migration bzw. dem Massenmord in Konzentrationslagern.

Gestaltet wurde die Ausstellung mit schlichten Mitteln: Fotos der unzähligen Opfer bilden eine Installation im Stiegenhaus, eine andere nennt ihre Namen. Fotografien bebildern das jüdische Leben in Graz um 1938, schriftliche Dokumente lassen tiefer in die Thematik eintauchen. "Mit den Schülern gehen wir im Anschluss in den Toleranz-Teil im Obergeschoß. Dort wird das Gesehene nachbereitet, sie können ihre Gedanken in Worten und Bilden festhalten und wir knüpfen im Gespräch an das an, was Ideologie und Ausgrenzung anrichten kann", schilderte Ruth Kaufmann.

Schulen können sich schriftlich zum kostenlosen Besuch und Führung anmelden. "Im November sind wir schon ziemlich ausgebucht", sagte Kaufmann. Auch für Erwachsene ist die Anmeldung notwendig.

Die Grazer Synagoge war in der Pogromnacht vom 9. auf 10. November 1938 niedergebrannt worden. Im Jahr 2000 wurde das neue jüdische Gebetshaus an seinem ursprünglichem Standort wiedererrichtet. Sie ist seither das Zentrum jüdischer Kultur in der Steiermark und befindet sich im Eigentum der Israelitischen Kultusgemeinde Wien, zuständig für Wien, Niederösterreich, Burgenland, Kärnten und Steiermark. Allerdings für eine immer kleiner werdende Gruppe: In der Steiermark, Kärnten und dem Burgenland zählt die Gemeinde nur rund 80 Mitglieder.

www.ikv-graz.at/deutsch/haus-der-namen