Clara Luzia, Österreichs erfolgreichste Singer-Songwriterin, hätte am 17. September ihr neues Album im Stadttheater vorstellen sollen. Nun musste sie aus Krankheitsgründen ihren Auftritt absagen. Für sie springt die Grazer Indie-Band Polkov ein. Clara Luzia wird im Oktober nach Kärnten kommen: Sie hat die Musik für das Lavant-Stück von Bernd Liepold-Mosser und Ute Liepold geschrieben. Die Kleine Zeitung hat vor ihrer Absage mit ihr geplaudert. 

Können Sie uns sagen, was Ihnen Christine Lavant bedeutet hat, als Sie diesen Auftrag annahmen?
CLARA LUZIA: (Lacht) Erwischt! Ich muss zugeben, ich kannte sie nicht. Mir hat der Name schon etwas gesagt, aber das war es bereits. Mittlerweile bin ich begeisterte Anhängerin ihrer Werke.

War es Liebe auf den ersten Blick?
LUZIA: Als ich gefragt wurde, ob ich mitmachen möchte, habe ich mir Sachen von ihr besorgt und mir am Anfang gedacht: „Oh, nein. Ich halte das gar nicht aus. Bitte bleibe fern von mir.“ Da war eine große Abwehrreaktion meinerseits. Die Lavant trägt ja ihr Leiden so nach außen.

Das überrascht jetzt insofern als Clara Luzia bisher nicht gerade als Kind von Fröhlichkeit in die Popgeschichte eingegangen ist...
LUZIA: Das ist ja gerade des Pudels Kern! Ich kenn vieles von dem, was man so subsumiert unter Depression. Ich kenne diese Seelenplätze, die sie beschreibt, ihre prekäre Existenz als freischaffende Künstlerin, ihre Krankheiten, diesen persönlichen Weltschmerz. Das hatte ich jahrelang. Erst in den letzten zwei Jahren habe ich es geschafft, das hinter mir zu lassen. Und gerade deswegen, als ich ihre Sachen gelesen hatte, habe ich gesagt: „Da will ich nicht wieder hin!“ Aber dann hat doch die Neugierde überwogen. Im Zuge der Probenarbeiten ist das ganz schnell ins Gegenteil gekippt. Die Lieder haben sich dann fast von selber geschrieben.

Sind die Lieder reine Vertonungen von Lavant-Gedichten?
LUZIA: Ich habe drei Gedichte vertont und zwei weitere mit eigenen Texten kurzgeschlossen. Ich singe teils auf Deutsch und teils Englisch. Und dann gibt es noch ein paar Instrumentalsachen.

Sie haben bisher fast ausschließlich eigene Lieder gesungen. Ist das Interpretieren von fremden Texten eine positive Erfahrung für Sie?
LUZIA: Ich habe schon in den letzten drei Jahren begonnen Covers zu spielen. Auch auf der neuen Platte, die einen Tag nach der Lavant-Premiere herauskommt, sind zwei Covers drauf. Gerade das reizt mich jetzt bei der Lavant, weil ich gemerkt habe, wie viel Gewicht das von mir nimmt, wenn ich nicht aus mir selber schöpfen muss. Das ist ein bisschen wie Urlaub vom Ich.

Können Sie uns etwas über Ihr neues Album verraten?
LUZIA: Bevor ich mit den Aufnahmen begonnen habe, dachte ich, es wird ein sehr lautes, brachiales Album, aber Julian Simmons, der diesmal als Produzent dabei ist, hat mir dann ziemlich das Tempo herausgenommen. Es gibt natürlich Nummern, die hauen ziemlich auf den Putz, aber der Gesamteindruck ist doch eher entspannt. Ich finde das Album toll.

Es trägt den Titel „Here‘s to Nemesis“. Welche Rolle spielt darin die griechische Rachegöttin?
LUZIA: Ich sehe Nemesis viel lieber als Göttin der ausgleichenden Gerechtigkeit. Es bringt mich die Idee durch diese schwierigen Tage, dass es so etwas gibt wie eine ausgleichende Gerechtigkeit. Ich hoffe sehr darauf.

Waren Sie dieser Tage auch am Wiener Westbahnhof?
LUZIA: Leider nein. Zuletzt war ich bei Proben in Klagenfurt und jetzt bin ich krank. Ich will ja nicht meine Keime verbreiten. Aber ich habe Freundinnen gebeten, dass sie Pakete hinbringen.

INTERVIEW: ERWIN HIRTENFELDER