Eine Woche nach dem qualvollen Tod von 71 Flüchtlingen in einem Lastwagen haben ein Expediteur und das Bochumer Schauspielhaus in einer spektakulären Aktion auf das Flüchtlingsleid aufmerksam gemacht. Vor dem Theater parkte der Expediteur Gerard Graf  einen 7,5-Tonner, der mit dem Lkw der Schlepper in Österreich baugleich war

Dann ließ er 71 Bürger in den 15 Quadratmeter großen Laderaum steigen. Die Menschen standen dicht gedrängt und sichtlich erschüttert wenige Minuten auf der nicht verschlossenen Ladefläche.

"Elend sichtbar machen"

Der leitende Dramaturg Olaf Kröck sagte, er habe die Menschen "für einen Augenblick" innehalten lassen und das Elend der Flüchtlinge sichtbar machen wollen. "Es ist unendlich wichtig, dass wir angesichts dessen, was in Europa passiert, Gegeninitiativen ergreifen", sagte Kröck. Expediteur Graf sagte: "So eine abstrakte Zahl, die möchte ich mit Leben füllen. Ich hoffe, dass wir mit dieser Aktion Öffentlichkeit erzeugen. Letztlich müssen aber die Politiker handeln."

Am vergangenen Donnerstag war ein von Schleppern zurückgelassener Lastwagen rund 50 Kilometer südlich von Wien auf einem Pannenstreifen der Autobahn gefunden worden. Im Laderaum entdeckte die Polizei die Leichen von 71 erstickten Flüchtlingen.

"Neues politisches Theater"

Die Leiterin des renommierten Berliner Theatertreffens, Yvonne Büdenhölzer, sagte im April in einem dpa-Interview: "Es gibt ein neues politisches Theater." Das Flüchtlingsdrama sei derzeit eines der zentralen Themen für die Theater, und das nicht nur auf der Bühne, sondern auch mit zivilgesellschaftlichem Engagement.

Realität und Kunst vermischen sich bei der Inszenierung, indem oft dokumentarisches Material in die Stücke einfließt oder die Flüchtlinge gleich selbst auf die Bühne gebeten werden. So ließ Regisseur Nicolas Stemann für seine Hamburger Inszenierung von Elfriede Jelineks "Die Schutzbefohlenen" - ein leidenschaftliches Plädoyer für schutzsuchende Flüchtlinge - Schauspieler und afrikanische Flüchtlinge gemeinsam auftreten.

Flüchtlinge auf der Bühne

Syrische Flüchtlinge spielen auch im hessischen Biedenkopf Theater. In Mannheim ist im Oktober die Premiere eines Theaterstücks geplant, in dem Flüchtlinge selbst ihre Geschichte erzählen.

Performance-Kollektive machen die Zuschauer mit verstörenden Inszenierungen selber zu Akteuren und konfrontieren sie so ganz direkt mit dem Flüchtlingsleid. Die Berliner Künstlergruppe "machina ex" ließ vergangenes Jahr in Düsseldorf Zuschauer in der Live-Performance "Right of Passage" zu Flüchtlingen werden, die aus einem Transitcamp über eine fiktive Grenze fliehen sollen. Um Visa- und Asylanträge zu bekommen, müssen sie sich durch einen bürokratischen Dschungel kämpfen.

Aufklärung

Kommt die Botschaft der Bühnen aber auch bei den Menschen außerhalb des Theaters an? Ob Aktionen, Geschichten über Flüchtlinge im Theater oder im Roman - "mir ist jedes Mittel Recht, um gegen eine offenbar immer noch teils rassistische und menschenfeindliche Haltung in Deutschland anzugehen", sagt der Dramatiker und Romanautor Moritz Rinke der Deutschen Presse-Agentur. Es fehle den Leuten an Wissen, "was flüchtende Menschen dazu bewegt, alles zu verlassen und ihr Leben zu riskieren, um hier anzukommen. Wir sprechen ständig von Globalisierung, stellen unsere schöne Welt im Netz bis auf die Haut aus, und wenn dann andere teilnehmen wollen, zünden wir deren Unterkünfte an...", sagt Rinke.