"Die Buchstaben beißen. Die Worte wehren sich. Schöne Sätze tragen nun einmal Dornen", begann Wawerzinek seine bereits als Büchlein vorliegende Rede und bekannte schon bald: "Geradezu, aufrecht, kühn und mutig nenne ich hier und heute Österreich meine Heimat, Klagenfurt meine Geburtsstadt, obwohl die wahre Geburtsstadt Rostock ist. Und obendrein bin ich zurzeit auch Stadtschreiber in Magdeburg. Dennoch, ich betrat die Welt der Literatur auf österreichischem Boden, erblickte in Klagenfurt das literarische Licht. Durch meinen inneren Zwillingsbruder bin ich irgendwie Österreicher geworden."

Er sprach über sein Aufwachsen als Heimkind in Mecklenburg und über seine erste Buchlektüre "heimlich unterm Dach des Hauses der Adoptionseltern". "Es gibt mich als Mensch und Mecklenburger. Es gibt mich als Autor und Klagenfurter. Wo aber ist einer daheim, von seiner Mutter verlassen, in Heimen aufgewachsen, der mit seinen Phantasien früh schon in die Fremde zieht?" Später habe er in Berlin begonnen, "Leute zu bewundern, die Texte schrieben". Aber: "Meine Karriere begann in Österreich, neunzehn Jahre vor meinem zweiten Versuch, in Klagenfurt den Bachmannpreis zu gewinnen und dadurch als Schreiberling anerkannt zu werden."

Wawerzinek erinnerte sich an seine Reise mit seinem damaligen Verleger Erich Maas nach Klagenfurt, als er 1991 zum ersten Mal beim Bachmann-Preis antrat: "Dem Ost-Klischee zu entsprechen, trugen Maas und ich billige, arg rumänisch aussehende Anzüge. Maas fuhrwerkte, wann immer ich angesprochen und interviewt wurde, mit seiner Videokamera herum, filmte die fragenden Personen aus vollster Nähe. Und schon entstand um uns eine Art Mondhof, die Aura der Verunsicherung." Er gewann "Platz vier", das Bertelsmann-Stipendium. "Ich blieb eine schöne Weile lang im Gespräch, hatte viele Lesungen, bekam gute Honorare ausgezahlt. Und dann war auch das ausgestanden und vorbei. Ich wurde, was ich vor dem Preis gewesen war, einer, der sein Geld nun wieder mit richtiger Arbeit verdiente; auf dem Kollwitzplatz Bratwürste verkaufen."

Nach einigen Höhen und Tiefen ("Ich schrieb mich binnen weniger Jahre leer. Ich trank. Das Leben ist kurz.") trat er 2010 mit einem Auszug seines Romans "Rabenliebe" zum zweiten Mal in Klagenfurt an und wurde mit dem Ingeborg-Bachmann-Preis und dem Publikumspreis ausgezeichnet. Im Jahr darauf wurde er Stadtschreiber in Klagenfurt: "Klagenfurt ist ja nicht einfach nur so eine Stadt. Ich schätze in Klagenfurt alle möglichen Arten von Ablenkung sehr, man kann sich hier so herrlich davon abhalten, zu tun, was anstünde. Klagenfurt besitzt eine verblüffende Dichte an Dichtern. Du sitzt hier an einem Tisch und hörst die Leute über Ereignisse reden, die passiert sein könnten oder reine literarische Erfindungen sind. (...) Schreiben heisst hier vor allem übers Schreiben viel zu reden, darüber vor allem, wie man für seine Kunst leiden müsse, dass darüber dann mitunter Jahrzehnte vergehen könnten, ehe sich magerer Erfolg aller Mühen einstelle."

Der Klagenfurter Autor sei "nicht mit allgemein-österreichischer Elle zu bemessen", nicht zuletzt hätten es die hier Schreibenden "ungemein schwerer, die Herausforderung ist unmittelbar. Alljährlich zu den Bachmanntagen bekommen sie hier andere sich mühende Autoren vorgestellt; live mit anschließender Debatte und Preisverleihung hautnah zu erleben." Der Wahlklagenfurter Wawerzinek hatte aber auch etwas zu beichten, "hoffend, es wird mir nicht als ein Klagenfurt herabsetzender Akt von Missachtung gewertet. Weiss der Lindwurm warum, aber ich habe in Klagenfurt nicht einmal im See gebadet."

Zum Schluss machte Wawerzinek darauf aufmerksam, dass der deutsche Maler Georg Baselitz in Salzburg die österreichische Staatsbürgerschaft verliehen bekommen habe. Er habe ebensolche Verdienste für dieses Land erworben, meinte der Autor. "Ich bitte hiermit um ähnlich zuvorkommende Behandlung meiner Person."

Von Donnerstag bis Samstag folgen in Klagenfurt bei sommerlichen Temperaturen 14 Lesungen samt Diskussionen. Heuer treten zehn Autorinnen und vier Autoren bei der Veranstaltung an, die am Sonntag mit Jury-Schlussdiskussion und Preisverleihung abgeschlossen wird.