Im Musikergraben, wo sonst das Bruckner Orchester Aufstellung nimmt, regiert diesmal eine Band (Leitung: Kai Tietje), die ab dem ersten Akkord unmissverständlich klarstellt, dass es sich um eine Rockoper handelt. Choreografie (Simon Eichenberger), Bühne (Beatrice von Bomhard) und Licht (Michael Grundner) bieten was fürs Auge, Tommy schwebt zwischen Flipper-Kugeln durch die Luft, es blinkt, brennt und raucht, Stillstand gibt's erst wieder nach dem Schlussapplaus.

Der Linzer "Tommy" ist zur Gänze auf Deutsch: Anfangs holpert das etwas, bald fügen sich Musik und Sprache aber harmonischer zusammen. Es überwiegt die Dankbarkeit für diese Entscheidung, denn der Plot erschließt sich, auch wenn viele im Film noch enthaltene psychedelische Elemente im Musical entsorgt wurden, nicht automatisch. Allein in der Ouvertüre sind die Geschehnisse mehrerer Jahre verpackt, filmartig und im Zeitraffer dem Zuseher zur Kenntnis gebracht.

Tommy wird Zeuge, als sein Vater den Liebhaber der Mutter tötet. Die Eltern bestürmen den Buben, Augen, Ohren und Mund zu verschließen - und er wird blind, taub und stumm. Er durchleidet Missbrauch, Mobbing und Gewalt, schwingt sich dennoch zum Flipper-Champion und - schließlich geheilt - zum Medienstar auf, im Saal regnet es Che-Guevara-analoge Tommy-Plakate. Letztlich schüttelt der weise gewordene Pinball-Wizard seine sinnentleerte Messias-Rolle aber ab.

Hauptdarsteller Riccardo Greco - mit Roger-Daltrey-Locken - pendelt zwischen zwei Polen, einmal als hin- und hergeschobene Puppe mit leerem Blick, dann wieder als charismatischer Magnet der Massen. Großes Lob auch für seine kindlichen Alter Egos, die viel Disziplin in ihrer apathischen Rolle aufbringen. Konstantin Zander sticht als diabolischer Rotzlöffel Cousin Kevin hervor. Anastasia Bain gibt eine laszive Acid Queen, die allerdings im filmischen Schatten von Tina Turner steht. Darstellerisch zeichnen sich keine Stars ab. Stattdessen ist das Niveau im gesamten Ensemble durchgehend hoch, die Rockband im Orchestergraben ist die Basis des Erfolgs, solides Teamwork eben.

(S E R V I C E - "The´Who's Tommy" in deutscher Sprache, Musik und Gesangstexte: Pete Townshend, Buch: Pete Townshend/Des McAnuff, ergänzende Musik von John Enthwistle/Keith Moon, Deutsch von Sabine Ruflair. Musikalische Leitung: Kai Tietje/Marc Reibel, Inszenierung: Gil Mehmert, Choreografie: Simon Eichenberger, Bühne und Kostüme: Beatrice von Bomhard, Lichtdesign: Michael Grundner. Mit Riccardo Greco (Tommy), Daniela Dett (Mrs. Walker), Alen Hodzovic (Captain Walker), Rob Pelzer (Onkel Ernie/Streuner), Konstantin Zander (Cousin Kevin), Anastasia Bain (Acid Queen). Weitere Vorstellungen am 26. April um 17.00 Uhr, 30. April um 19.30 Uhr, Musiktheater Linz, Großer Saal. )