Es war ein Heimspiel mit ausschließlich Siegern: Im Gasometer, sonst eher Spielstätte für internationale Gäste, haben sich am Freitagabend das Wiener Popwunder Wanda samt illustrer Freundesschar dem überaus zahlreich erschienen Publikum präsentiert. Das Mini-Popfest war restlos ausverkauft, der Jubel groß - besonders bei den deklarierten Helden des Abends.

Wenn heimische Bands aus der Kategorie "Alternative-Act" zu einem bunten Abend laden, kann der Andrang schon beträchtlich sein und eine kleinere Location an die Fassungsgrenze bringen. Dass dies nun in der Gasometerhalle passiert ist, darf schlicht als Sensation gelten. Und ja, auch oben im Juchhe, da wo gesessen wird, war es voll.

In einer idealen Welt wären alle nur da gewesen, um einen schönen Überblick über das zeitgenössische heimische Popmusikschaffen zu erhalten. Tatsächlich darf jedoch angenommen werden, dass viele nach Simmering aufgebrochen sind, um die derzeit meistgeliebte Band des rot-weiß-roten Musikplaneten live zu erleben. Ausverkaufte Konzerte sind für die wilden Wandas inzwischen eher Alltag. Für ein Gratiskonzert im vergangenen Dezember stellten sich die Fans sogar stundenlang in der Kälte an. Passiert einer Wiener Formation auch nicht so oft.

Seither ist viel vom neuen Austropop die Rede, auch das Wienerlied wurde möglicherweise wieder einmal neu erfunden. Im Sog des Erfolgs wurde auch anderen Protagonisten eine erhöhte Aufmerksamkeit zuteil. Gestern waren sie mit dabei: der Nino aus Wien, den die Amore-Combo gerne als Vorbild bezeichnet, sowie der Familienbetrieb Worried Man & Worried Boy, bestehend aus Herbert und Sebastian Janata. Die sind einerseits Vater und Sohn, andererseits ehemaliges Mastermind der Worried Man Skiffle Group bzw. der Schlagzeuger von Ja, Panik - auch wenn der Junior bei Man&Boy für die Gitarre zuständig ist.

Bevor die genannten Boys die Gasometer-Bühne betraten, tat dies Anna Attar alias Monsterheart und ihre vor allem aus Frauen bestehende Band - was nicht zuletzt vor Augen führte, dass der momentane Hype ein männlich dominierter ist. Und, noch ein Kontrapunkt vor dem anschließenden Dialekt-Marathon: gesungen wurde in englischer Sprache. Absolviert wurde ein cooler Gig, ganz ohne Posen und Mitsingversuchung, dafür teilweise tanzbar. Der Gruselsong "At night" oder das eingängige "Bunnies" vom aktuellen Album "W" waren da etwa zu hören.

In einem völlig anderen Universum sind Worried Man und Worried Boy daheim. Die alten, aufpolierten Skiffle-Hits des Papas machten in der Vorstadt gute Figur. Lieder wie "Glaubst i bin bled" wurden mit sichtlichem Wohlwollen aufgenommen. Wobei: Was klingt wie Strizzi-Romantik, ist in Wahrheit ein Kind der Avantgarde. Der Text stammt von Konrad Bayer. Ebenfalls schön: "Konzert" oder das melancholische "I wü oba i trau mi net". Mit "Der Schönste Mann von Wien" wurde Altwiener Liedgut präsentiert, das von Gastsänger Nino überaus souverän in Szene gesetzt wurde.

Der Empfang für den Liedbastler, der nach Vater und Sohn quasi als Stimmungsmacher für die Wanda-Gesellen fungierte, war überaus herzlich. Vor einer der vermutlich eindrucksvollsten Kulissen seines gar nicht so kurzen Musikerlebens wurden Nino und Band gefeiert wie sonst nur die großen Stars. Dass das Publikum längst in Partystimmung und zu einem Gutteil auch nicht mehr völlig nüchtern war, war ohne Zweifel kein Nachteil. Nicht einmal, dass der junge Mann auf der Bühne ein Leiberl mit Deutschlandfahne trug, wurde ihm nachgetragen.

Apropos große Stars: Als kurz nach 23.00 Uhr schließlich Marco Michael Wanda samt Kollegen die Bühne regelrecht erstürmten, gerieten die rund 3.000 "Gaso-People" (Copyright: Austrofred) endgültig aus dem Häuschen - im übrigen völlig zu Recht. Über den Erfolg der Neo-Stars mit dem Amore-Schmäh große Worte zu verlieren, hieße Eulen nach Athen (oder: Tauben nach Wien) tragen. Ohne Zweifel einer der Gründe für die Hysterie: Wanda sind eventuell die beste heimische Liveband derzeit. Mehr als eine Stunde dauerte der Auftritt, alle großen und kleineren Hits ("Schick mir die Post", "Auseinandergehn ist schwer", "Wenn ich zwanzig bin", "Stehengelassene Weinflaschen", "Jelinek", "Easy Baby" etc.) waren mit dabei.

Zu Beginn erklang der sehnsüchtige Schrei nach "Luzia", deren Zähne so weiß sind, obwohl sie so viel raucht. Die Cousinenhymne "Bologna" war naturgemäß einer der Höhepunkte der Show, während der sich Marco Michael Wanda übrigens permanent als freundlicher, engagierter Frontman gerierte. Er umarmte sich und seine Mitmusiker, fing Bierbecher auf, surfte auf der Crowd, fiel mitunter einfach nur um und verteilte alkoholhaltige Getränke an das ausflippende Publikum.

Als Zugabe schließlich erklang dann jene Nummer, die sich dem wohl ultimativen und wundersamsten Liebesbeweis der jüngere Popgeschichte widmet: "Wenn du mich liebst, gib mir Schnaps!" Dass das Wiener Publikum seine Wandas liebt, war zu diesem Zeitpunkt längst klar. Am Ende zeigte sich sogar Marco Michael Wanda wenn schon nicht verliebt, dann zumindest überwältigt: "Bist du deppert!"