Nina Stemme liefert eine Ausnahmeleistung als dem Wahnsinn nahe, auf Rache für den Tod des Vaters sinnende Königstochter. Buhs kassierte hingegen das Regieteam um Uwe Eric Laufenberg.

Stemme überzeugte mit schellend-warmer Mittellage, und ließ anfängliche Unsicherheiten in der Tiefe alsbald hinter sich. Am Ende stand eine paradigmatische Elektra in hoher Textverständlichkeit. Flankiert wird Stemmes Rachefurie von einer insgesamt beeindruckenden Sängerriege, wenn Ricarda Merbeth, kurzfristig für die erkrankte Anne Schwanewilms eingesprungen, ihre Schwester Chrysothemis als Kleinmädchenfigur anlegt, die vom Leben als Mutter träumt, gemäß der Librettozeile "Ich bin ein Weib und will ein Weiberschicksal". Falk Struckmanns Orest wird mit stahlhartem, klaren Bass-Bariton zum unbeirrbaren Rächer, während Anna Larsson bei ihrem Rollendebüt an der Staatsoper die Klytämnestra als gebrochene, im Rollstuhl Sitzende gibt - eine Getriebene, der nur wenig Diabolisches anhaftet.

Sie alle agieren in einem dunklen Kohlenkeller - ein als Hort des Unbewussten, der Gewalt und Perversion mittlerweile fast typischer österreichischer Topos. Elektra geht, wenn schon nicht zum Lachen, dann zum Leiden in den Keller. Einziger Lichtblick in diesen Tiefen des Seins ist der Paternoster in die oberen Passagen, ein Übergangsort, in dessen Kabinen am Ende Schreckensbilder wie im Horrorfilm die Dämonen Elektras versinnbildlichen. Dieser Paternoster zum Schafott vermittelt zwischen den oberen Etagen des Königspalastes und dessen Unterbau.

Herrische Weiber, weibische Männer

Regisseur Laufenberg respektive sein Ausstattungsduo Rolf und Marianne Glittenberg setzten dabei auf klare Kontraste zwischen Schwarz und Weiß, Licht und Schatten, männlich und weiblich. So beginnt Stemme ihre Partie im Männeranzug und wandelt sich von der Kleidung her just in dem Moment zur Frau, in dem ihr Bruder Orest - von ihr mit angedeutetem Inzestakt begrüßt - ankommt, um die scheinbar männliche Aufgabe der Rache an ihrer Mutter und deren Liebhaber Aegisth zu vollziehen. Dieser Ansatz erscheint durchaus stimmig, bezeichnet Elektra doch den vermeintlich schwachen Aegisth im Libretto abwertend als Weib.

Am Beginn tanzt Elektra mit der Axt als Sinnbild ihrer mörderischen Fantasien, am Ende im schwarzen Kleid zwischen weiß-grauem Feiervolk. Dieses Sinnbild ihres Wahns, der gewünschte vermeintliche Wandel zum Guten bleibt jedoch Schimäre. Weshalb Elektra aus dieser Illusion am Ende sang- und klanglos verschwindet, anstatt zusammenzubrechen, bleibt allerdings unklar. Alles in allem zeigt sich Laufenbergs Adaption als durchaus stimmige, repertoiretaugliche Inszenierung, deren größte Schwäche eine mangelnde Personenführung ist. So liefern die Sänger immer wieder leidlich starr ihre Partien ab, ohne in die Interaktion zu gehen. Die Folge war ein wahrer Buhsturm für das Regieteam, der sich an das exaltierte Grundniveau des Stücks anzupassen schien.

Auch Dirigent Mikko Franck am Pult sah sich mit zahlreichen Unmutsäußerungen konfrontiert. Dabei hatte der finnische Einspringer für den abgetretenen Franz Welser-Möst das Staatsopernorchester mit knackigem, kontrastreichem Ansatz durch die Partie geführt, eine grummelnde Höllenmaschine des Wahnsinns präpariert. Das Dunkle ist eben nicht jedermanns Sache.