„Superwelt“ beginnt in einem Supermarkt. An einem solchen Platz wurden Sie angeblich zu Ihrer Story inspiriert?

KARL MARKOVICS: So ist es. Ich beobachtete die Kassierin, wie sie gerade ihr Laufband putzte, mit Küchenrolle und Allzweckreiniger. Dabei schaute sie ins Leere. Mit einem eigentümlichen Blick, an dem ich hängen blieb. Wie das bei mir so ist, verbindet sich oft ein augenblicklicher Eindruck mit einem „Was wäre, wenn?“ Was wäre also, wenn gerade Gott zu ihr gesprochen hätte? Das würde ihren Gesichtsausdruck erklären. Es verging einige Zeit, dann kam mir das wieder in den Sinn, und ich dachte, es würde einen interessanten Film ergeben, eine Geschichte von dieser Warte aus zu erzählen.

Gott und Gottsuche, ein Thema unserer Zeit. Auch für Sie?

MARKOVICS: Allein hypothetisch ist das ein Gedanke, der uns alle früher oder später beschäftigt. Wobei mir klar ist, dass es ein Leben lang bei Fragen und Rätseln bleibt. Doch das ist mit dem Menschsein unmittelbar verbunden – und mit der Fähigkeit, über uns selbst abstrakt zu denken. Eine naturwissenschaftlich-physikalische Antwort wird uns nie genug sein, denn wir sind besessen davon, dass das alles an ein Wesen geknüpft sein muss.

Also kiefeln wir weiter?

MARKOVICS: Das ist ja das Spannende. Denn wenn es uns egal wäre, wäre das ein Ende der Beweglichkeit des Denkens. Auch, wenn einer glühender Atheist ist, bleibt er auf diese Art ein kreativer Mensch.

Welcher Mensch ist dann die Supermarktkassierin Gabi Kovanda in „Superwelt“?

MARKOVICS: Sie ist nicht gut und nicht schlecht, sie dümpelt so dahin, läuft ohne große Hektik einem Ende entgegen Sie redet von der Pension, und dass dann keine großen Auifregungen mehr auf sie warten. Dieses Gedankengut ist in Österreich so verbreitet, als ob es nichts Wichtigeres als den Stillstand gäbe. In der Sonne liegen, mit einem Bier in der Hand, ja, das mag auch schön sein – aber nicht nur.

Was wollen Sie dem Publikum mit „Supwerwelt“ im Grund sagen?

MARKOVICS: Gar nichts, denn das wäre eine entsetzliche Anmaßung. Ich hoffe, dass sich das Publikum selbst was sagt. Ich wünsche mir, einen Film gemacht zu haben, der weiter wirkt, wenn er zu Ende ist. Dass ihn die Besucher nicht in der Dunkelheit als „abgespult“ liegen lassen. Dass sie ihn mit ihrem eigenen Leben verbinden und sich Fragen stellen.

Gabi Kovanda wird von Ulrike Beimpold gespielt. Ihre Gespräche mit Gott finden nur in ihrem Kopf statt, das Publikum bekommt keine Dialoge mit, kann alles nur an ihrem Gesichtsausdruck ablesen. Eine riesige Herausforderung für eine Schauspielerin. Haben Sie ihr die Rolle auf den Leib geschrieben?

MARKOVICS: Nein; und das hat mehrere Gründe. Einer ist, dass ich interessanterweise noch nie mit ihr zu tun hatte. Wir sind einander vorher nie begegnet. Dazu kommt, dass ich Rollen nie für gewisse Schauspieler schreibe. Das würde mich behindern und beschränken. Das Drehbuch ist fertig, erst dann beginnt die Suche nach den Schauspielern. Das Schreiben ist leicht, das Suchen schwierig. Man muss jemanden finden, der meinen Vorstellungen halbwegs gerecht wird, was den Schauspeilern gegenüber vielleicht ungerecht ist, weil sie die Vorstellungen ja nie 1:1 umsetzen können. Das ist bei Ehepaaren genauso. Dass es hier Ulrike Beimpold wurde, ist mehr oder weniger einem Zufall zu verdanken.

Welchem?

MARKOVICS: Der Grazer Produzent Dieter Pochlatko schickte mir eine DVD der Reihe „Spuren des Bösen“, in diesem Film spielte sie die Hauptrolle. Wir machten ein Treffen aus, und nach fünf Minuten war mir klar, dass es Ulrike sein musste. Mit jedem Drehtag hat sie das als richtige Entscheidung bestätigt. Sie hat so viel Energie und Neugierde in die Rolle gebracht, wie man s ich das nur wünschen kann. Davor war ich mir gar nicht bewusst, welchen Wandel sie vollziehen kann. Auch, indem sie die Grundeitelkeit, die wir vielleicht alle haben, total unterdrückte. Sie hat auch zwölf Kilo zugenommen. Nehmen Sie die dann wieder ab!

Die nähere Zukunft des Karl Markovics?

MARKOVICS: Angenehmerweise drehe ich jetzt zwei sehr spannende Kinofilme. Nur als Schauspieler, also muss ich keine Zeit mit schneiden, mischen, Postproduktion und Kinoverwertung verbringen, muss „nur“ vor der Kamera stehen. Das eine Projekt ist „The King’s Choice“, handelt vom Spiel der Nazideutschen mit dem norwegischen König Hakon VII., der sich aber von ihnen nicht erpressen ließ. Ich bin der deutsche Botschafter, der ihm ein Ultimatum überbringt. Wir beginnen in diesen Tagen. Der andere Film entsteht in der Tschechei, es geht um das Leben der Filmdiva Lida Baarova, mit der Joseph Goebbels ein Verhältnis hat. Auf Geheiß seines Führers muss er sich jedoch von ihr trennen. Ich bin Goebbels.

INTERVIEW: LUIGI HEINRICH