"Er ist ein Gefäß, sagte ich mir, das ständig andere, neue Charaktere, immer wieder nie gekannte Erlebnisse in sich aufnehmen muss. Was, in Gottes Namen, hätte dabei von der ureigenen Person des Oskar Josef Bschließmayer noch weiterbestehen bleiben sollen?" So schreibt ein renommierter Schauspieler über einen seinerzeit noch viel berühmteren, schillernden und als exzentrisch verschrienen Kollegen. Der hatte sich bei beider Treffen mit seinem Verhalten längst ins berufliche Abseits bugsiert, sah aus wie ein greises, großköpfiges Kind mit ausgemergeltem Körper und soff wie ein Loch.

Es war der Wiener Kultmime, Theater- und Hollywoodstar mit dem Künstlernamen Oskar Werner (1922-1984) - der bald darauf einem Herzinfarkt in einem Marburger Hotelzimmer erliegen sollte. Michael Degen, ebenfalls mit beeindruckender Bühnenkarriere, hat ein Buch über den bei Enthusiasten unvergessenen Werner verfasst - "Der traurige Prinz - Roman einer wahren Begegnung" erscheint am 7, März bei Rowohlt Berlin.

Schauspieler Michael Degen hat ein Buch über Oskar Werner geschrieben
Schauspieler Michael Degen hat ein Buch über Oskar Werner geschrieben © AP

Am Sonntag (8. März, 11 Uhr) startet Degen im Wiener Theater in der Josefstadt eine Lesetournee. Die Geschichte des auch als Schriftsteller oft autobiografisch inspirierter Werke erfolgreichen Degen ("Nicht alle waren Mörder", 2002) fußt auf einem Nachtgespräch in Oskar Werners Anwesen 1983 in Liechtenstein. Degen gastierte damals mit Ingmar Bergmans Strindberg-Inszenierung "Fräulein Julie" in Vaduz, wurde im Anschluss von dem verehrten Kollegen eingeladen. Der Abend uferte aus mit zahllosen Gläsern Fernet Branca (Gastgeber) und Grüner Veltliner (Gast) - plus stundenlangen Erinnerungen, Anekdoten, Streitereien.

"Natürlich wurde nicht jedes einzelne Wort genauso gesprochen, doch im Grunde genommen hat der Dialog so stattgefunden", erzählt der 83-jährige Autor. Sein fesselnd zu lesender 250-Seiten-Dialog samt Reflexionen des Ich-Erzählers geriet auch zum Blick zurück in die Theatergeschichte mit Größen wie Werner Krauss und Gustaf Gründgens. Vor allem aber zur Offenbarung einer gescheiterten Künstler-Existenz, die Degen als stellvertretend für den Beruf ansieht. "Ich glaube, dass die natürlich gewachsene Persönlichkeit einem Schauspieler mit der Zeit verloren geht", erklärt er, "man steigt in immer andere Rollenfiguren ein und lässt immer einen Teil von sich in ihnen zurück. Und irgendwann weiß man dann im Grunde nicht mehr, wer man ist."

So mag es, wenn man Degens Buch folgt, Werner ergangen sein, Auch dessen Ruhmsucht erscheint hier psychologisch beispielhaft. Stammte er doch aus einfachsten Verhältnissen und wollte unbedingt zur "Burg", nachdem ihm die Großmutter vorgemacht hatte, wie man da wie bei feinen Leuten Hochdeutsch spräche.

1955 avancierte er dort zum "Jahrhundert-Don-Carlos". Insbesondere sein Leiden in der NS-Zeit - Werner erlebte als Jugendlicher die Novemberpogrome von 1938 , wurde im Krieg verschüttet und desertierte aus der Wehrmacht - dürfte die Intensität seiner Darstellungen mitgeprägt haben. Doch im Kern glaubte der Künstler - dessen leuchtend hellblaue Augen genauso legendär waren wie seine poetisch weiche Stimme - nicht an sich.

Er wurde bizarr, lehnte nach Kino-Welterfolgen wie "Entscheidung vor Morgengrauen" (1951) und Truffauts "Jules und Jim" (1962) Angebote etwa von Regiegenie Stanley Kubrick ab. Dafür verfiel er dem Alkohol. "Man kann sich in einer solchen Verfassung zurückziehen und sich retten - oder man macht weiter bis zum Schluss", sagt Degen. Er selbst kenne solche Gefahren ebenfalls, habe aus diesem Grunde zum Beispiel zeitweise weniger Rollen angenommen oder sich andere Aufgaben wie das Schreiben gesucht. "Anfechtungen wie Drogen und Alkohol bin ich aus dem Weg gegangen - aber irgendwie löscht man doch seine Person immer weiter aus. Wohl den wenigsten Zuschauern ist das bewusst", sinniert der Künstler leise weiter. Auch sein Ich-Erzähler nimmt einen eher vernünftigen Part ein. Das katastrophale Ende Oskar Werners wurde offensichtlich, als dieser mit 62 Jahren in der Wachau noch einmal den Prinzen von Homburg spielte - ein Desaster, bei dem er nicht einmal mehr seinen Text beherrschte.