Man könnte als Fan vorsichtshalber natürlich auch gleich einmal auch eine Spur enttäuscht sein. Zehn Jahre Pause, und dann ein Album, das für zehn Songs nicht mehr als gerade einmal eine gute halbe Stunde braucht.
„No Cities to Love“ heißt dieses 33 Minuten lange neue Album von Sleater-Kinney. Und es lässt, das vorweg, für Enttäuschung wenig Raum: Das Frauentrio aus Olympia/Washington, Ikone der Riot-Grrrl-Bewegung, macht immer noch Musik, die gegen die Verhältnisse anlärmt. Sleater-Kinney, gegründet Anfang der Neunzigerjahre, wurden berühmt mit kantigem Gitarrenrock, der seine grundsätzliche melodiöse Lieblichkeit erfolgreich mit Gesangsstimmen, schneidend wie Damaszenerklingen, maskiert und seine Wut über die Welt, wie sie ist, ungehemmt an ihr auslässt.

Gleitflächen für die Wut

2005, kurz nach Veröffentlichung des formidablen Albums „The Woods“, hatte das Trio eine Auszeit unbestimmter Dauer verkündet. Nach diversen Alternativprojekten haben Carrie Brownstein, Corin Tucker und Janet Weiss nun also wieder zusammengefunden – und knüpfen auf „No Cities to Love“ an ihre ureigenen Themen wie Feminismus, Materialismus, Chauvinismus an. Konsequenterweise erzählt schon das Eröffnungslied „Price Tag“ von den Verlierern der Konsumgesellschaft. Das geht natürlich nicht ohne Pathos: „I was blinded by the money/I was numb from the greed“ heißt es in dem Song. Vom Geld geblendet, von der Gier wie betäubt – das spricht zu einer Generation, die ihre Wut über Krise, Kapitalismus, „das System“ nach den Enttäuschungen der letztlich wirkungslosen Protestbewegungen von Occupy bis Ferguson neu fokussieren muss. Gleitflächen für diese Wut bietet „No Cities to Love“ mehr als genug: Songs wie „No Anthem“, „Surface Envy“, „Fade“ erzählen durchwegs von Verweigerung und Unbehagen an politischen und wirtschaftlichen Ist-Zuständen. Und das mit unversteckter Absicht: „Wir hoffen, dass wir etwas auslösen können, wenn wir einen klaren Standpunkt in unseren Songs einnehmen. Das kann auch ins Private gehen“, postulierte Carrie Brownstein jüngst in einem Interview mit dem Bayerischen Rundfunk. Alles Private ist politisch, das hätte sich inzwischen ja so weit herumgesprochen.

Gut, dass bei allem Sendungsbewusstsein auf „No Cities to Love“ auch der Spaß nicht zu kurz kommt. Das zeigt nicht zuletzt der Titelsong, dessen Video mit Gästen wie Miranda July, Sarah Silverman, Ellen Page, Fred Armisen zur rotzigen Mitsingnummer wird: Man kann das Wetter lieben, oder das Nichts, Hauptsache, man macht, was man will.

UTE BAUMHACKL