PARIS. Eine Frau, die mit 68 Jahren über Schmerzen durch zu viel Sex schrieb, nimmt auch im hohen Alter kein Blatt vor den Mund. Sie habe das Verfallsdatum zwar erreicht, doch das männliche Geschlecht lasse sie auch heute noch nicht gleichgültig, sagte Benoite Groult, die am Samstag, 31. Jänner, ihren 95. Geburtstag feiert, in einem Interview der "Frankfurter Rundschau".

Die Schriftstellerin hatte mit ihrem Erotikroman "Salz auf unserer Haut" damals Millionen von Leserinnen ergötzt und schockiert. Ihren Kampf als Feministin setzt die studierte Literaturwissenschafterin noch heute fort. Eines ihrer jüngsten Bücher "Ainsi soit Olympe de Gouges" widmete Groult 2013 der Revolutionärin und Frauenrechtlerin Olympe de Gouges, die sich schon vor mehr als 200 Jahren für die Rechte und die Freiheit der Frau einsetzte. Ihren Kampf bezahlte die Pionierin des Feminismus mit dem Leben: Auf dem Schafott wurde die als Prostituierte und Aufwieglerin verunglimpfte französische Schriftstellerin 1793 hingerichtet.

Groult ist keine Vielschreiberin und war bis zur Veröffentlichung von "Salz auf unserer Haut" 1988 fast nur in Frankreich bekannt. Noch heute kann sich die Schriftstellerin den Erfolg ihres Romans schwer erklären. Die Leute hätten wissen wollen, "wie man 50 Jahre lang eine glückliche Ehe mit Affäre führen kann, ohne die Beziehung zu gefährden", stellte sie vor einigen Jahren fest.

"Frauen-Porno" und "Hymne an den Phallus": Vor allem in ihrem Heimatland wurde der Roman anfangs heftig kritisiert. Heute gehört das Buch zu den Klassikern der erotischen Literatur. Das 1992 von Andrew Birkin mit Greta Scacchi und Vincent D'Onofrio verfilmte Buch wurde weltweit mehr als drei Millionen Mal verkauft. Als Ich-Erzählerin beschreibt Groult darin eine wilde Affäre mit einem Fischer.

Noch heute ist die Autorin über ihren Mut von damals erstaunt. Sie frage sich noch immer, wie sie damals die Kühnheit haben konnte, so etwas zu schreiben, gestand sie in ihrer 2009 auf Deutsch erschienenen Autobiografie "Meine Befreiung". Darin offenbarte sie auch, dass es sich bei dem Fischer um den 2004 verstorbenen Kurt Heilbronn gehandelt hat. Den amerikanischen Piloten lernte sie 1945 nach der Befreiung Frankreichs kennen. Über 50 Jahre dauerte die Affäre zwischen den beiden - trotz mehrerer Ehemänner und Kinder.

Groult stammt aus der Pariser Oberschicht. Schon ihr erster, 1972 veröffentlichter Roman "La part des choses" - das Buch kam 1999 in Deutschland unter "Die Dinge, wie sie sind" heraus - thematisiert die Beziehungen zwischen Mann und Frau. Erst "Salz auf unserer Haut" sei zu ihrem feministischen Befreiungsschlag geworden, wie sie in ihrer Autobiografie schreibt.

Ihrem Kampf ist sie treu geblieben. "Mit dem Altern verschwinden die Frauen. Niemand schaut sie mehr auf der Straße an. Sie werden transparent, verlieren den Blick der Männer, die Angst vor dem Altern der Frauen haben und noch mehr vor alten Frauen, die sie anmachen", sagte sie der französischen Frauenzeitschrift "Elle". Auch darum schaut sie schönen Männern noch heute nach.