Bösch findet für das 1810 in Wien uraufgeführte Märchen um die von Engeln verkündete göttliche Bestimmung der Tochter eines Waffenschmieds als Gefährtin eines Ritters zeitlos wirkende Bilder. Das anfängliche Femegericht, das der Vater des offenbar verhexten Mädchens (rechtschaffen erzürnt: Falk Rockstroh) gegen den vermeintlichen Verführer seiner Tochter anstrengt, findet in einer düsteren, hohen Halle statt (Bühne: Patrick Bannwart), deren Rückwände sich später immer wieder öffnen werden. Da fällt ein Haufen Federbetten vom Himmel oder ein Ascheregen, wenn die hilflos eingesetzten Feuerlöscher nichts mehr ausrichten und die angezündete Burg hell lodernd in sich zusammenstürzt.

Dass Kleist mit den Verjüngungskuren der Kunigunde von Thurneck (Dörte Lyssewski gestaltet sie ohne Hemmungen als abgefeimte, rothaarige Hexe) die Verheißungen und Verirrungen von Schönheitsindustrie und -chirurgie bereits vor 200 Jahren auf die Bühne brachte, hat man selten so pointiert vorgezeigt gesehen wie in dieser klug gestrafften zweistündigen, pausenlosen "Käthchen"-Aufführung, in der auch die von Karsten Riedel beigesteuerte Musik zur angenehmen Konsumierbarkeit beiträgt.

Frida-Lovisa Hamann darf als schnippische Kammerzofe eine elektrische Saftpresse bedienen und Kunigunde Aufputschmittel verabreichen, Hermann Scheidleder als Knecht Gottschalk, Dietmar König als Burggraf und Daniel Jesch als Rheingraf suchen im mitunter gar schauerlichen Treiben Haltung zu bewahren und Martin Schwab macht aus dem kaiserlichen Geständnis eines Fehltritts (Käthchen ist, wie vom Engel verkündet, tatsächlich seine uneheliche Tochter) eine Mini-Studie der frivolen Jugenderinnerung.

Und das ungleiche Paar im Zentrum des Stücks? Sarah Viktoria Frick ist als Käthchen mit Zöpfchen, kurzem Kleid und rutschenden Strümpfen ein naives Kind, das sich in blindem Gottvertrauen mit der Bibel in der Hand in ihr Schicksal stürzt, eine von himmlischer Weissagung geleitete Stalkerin, die sich keine Gedanken darüber macht, was sich schickt und was nicht. Fabian Krüger ist der Angebetete, der ob dieser Nachstellungen deutlich mehr genervt als geschmeichelt ist, ein ritterlicher Graf Wetter vom Strahl mit langem schwarzen Haar, der sich erst dann in das ihm zugedachte Schicksal zu fügen scheint, als er erkennt, in welches Unglück er sich durch seine Zuwendung zu Kunigunde beinahe freiwillig gestürzt hätte.

Lieber eine ziemlich naive junge Schwärmerin als eine hässliche alte Hexe? Doch Bösch lässt diese scheinbar einfache Rechnung nicht aufgehen. Der Liebesschwur möchte dem edlen Ritter bei der finalen Brautwerbung nicht und nicht über die Lippen kommen. Liebe lässt sich nicht erzwingen. Ein schönes, trauriges Ende. - Viel Applaus, Jubel um Frick und Krüger.