Die Kommandozentrale der Interessensvertretung der österreichischen Literatur liegt im Keller des Literaturhaus Wien. In einem Bürokammerl hinter bizarr anmutenden Luftschutz-Türen, umgeben von etlichen Laufmetern Ordnern und Erinnerungsstücken an vergangene Kulturkämpfe, schaltet Gerhard Ruiss, der langjährige Geschäftsführer der IG Autorinnen Autoren. Die APA bat ihn um Rück- und Ausblicke.

Herr Ruiss, wie es hier aussieht, sollte Ihr Arbeitsplatz als Pendant zum Grillparzer-Zimmer zur Zweigstelle des neuen Literaturmuseums ernannt werden. Dieses wird jedoch ebenso wie das Weltmuseum Wien eine Redimensionierung erfahren. Was bedeutet das für die österreichische Literatur?

GERHARD RUISS: Es ist das eingetreten, wovor wir gewarnt haben. Wir brauchen nicht zusätzliche Infrastrukturen, wir brauchen zusätzliche Mittel für Inhalte. Viele Institutionen sind in die Notlage geraten, den Betrieb zwar einigermaßen aufrechterhalten zu können, aber für die Programmgestaltung über keine Mittel zu verfügen.

Was fällt Ihre Zwischenbilanz dieser Regierung und dieses Kulturministers aus?

RUISS: Finanziell ist es wenig trostreich, dass wir weitere zwei Jahre mit eingefrorenen Mitteln leben müssen. Wir werden also weitere zwei Jahre erhebliche Kürzungen haben, weil die Teuerungsentwicklung ja weitergeht. Das ist die eine Seite. Die kann man nur zähneknirschend zu Kenntnis zu nehmen und versuchen, dagegen zu opponieren, soviel es geht. Auf der Seite der gesetzgeberischen Maßnahmen ist aber doch einiges passiert - etwa die Einbeziehung des E-Books und des grenzüberschreitenden Buchhandels in das Preisbindungsgesetz oder eine deutliche Verbesserung der Künstlersozialversicherung. Dazu kommt etwas, was vielleicht noch gar nicht so aufgefallen ist, dass nämlich die österreichische Regierung in Kulturfragen eine klare Position zum Handelsabkommen TTIP bezogen hat.

Bei den Topthemen Urheberrecht und Festplattenabgabe geht allerdings nichts weiter.

RUISS: Nachdem die Festplattenabgabe noch einmal am Widerstand der Sozialpartner gescheitert ist, gibt es nun neue Signale, dass sie trotzdem im ersten Halbjahr 2015 umgesetzt werden soll. Wir sind in neuen, konkreten Verhandlungen mit den zuständigen Ministern und auch mit den Parlamentsfraktionen. Mit dem Justizminister und dem Kulturminister haben wir zwei Minister an unserer Seite, die uns wörtlich mitgegeben haben: Das verlieren wir gemeinsam oder gewinnen wir gemeinsam. Die Arbeiterkammer ist nicht mehr deklarierter Gegner der Speichermedienvergütung, und auch die Bundeswirtschaftskammer hat erklärt, unsere Modelle auf ihre Tauglichkeit zu überprüfen. Was mich besonders optimistisch stimmt, sind Gerichtsentscheidungen auf europäischer Ebene und auch in Österreich, die eindeutig sagen: Künstler müssen für Inhalte, die sie zur Verfügung stellen, einen gerechten Ausgleich erhalten.

Auf Verlagsebene können Sie da demnächst einen Erfolg vermelden.

RUISS: Ja, am 27. Jänner werden wir den ersten Mustervertrag zwischen Verlegern und Autoren präsentieren, der Standards festlegt und an diesem Tag in Kraft tritt. Damit gibt es zum ersten Mal in der Publikationsgeschichte von Österreich einen Maßstab für angemessene rechtliche Usancen. Das ist für uns ein gewaltiger Schritt, auf den wir auch entsprechend stolz sind.

Dafür ist rund um die mögliche Erhöhung des ermäßigten Umsatzsteuersatzes für Bücher oder Theaterkarten eine neue Debatte entstanden. Sind Sie auch da optimistisch, dass die Argumente der Kulturszene Gehör finden werden?

RUISS: Ich glaube, dass es zwingend ist, dass man in einer Kulturnation signalisiert, dass Kunst und Kultur eine besondere Bedeutung hat. Es wäre das schlimmste Signal nach innen wie nach außen, Kultur zur beliebigen Ware zu erklären. Außerdem trifft es die Kulturbranche in einer Krisenzeit: Es gibt keine Reserven mehr. Ich hoffe, dass sich letztlich das durchsetzt, was im Regierungsprogramm steht, nämlich deutliche Maßnahmen zur Verbesserung der Lage der Künstlerinnen und Künstlern zu setzen.

Wie ist diese Diskussion zu werten, wenn man auf der anderen Seite erfahren muss, dass Unternehmen wie der Versandbuchhändler Amazon es offenbar schaffen, teilweise gar keine Mehrwertsteuer zu zahlen?

RUISS: Das ist eines der vielen Dinge, die man auf europäischer Ebene dringend angehen muss. Es ist ein kleiner Schritt, dass ab 1. Jänner 2015 das Empfängerland-Mehrwertsteuerprinzip gilt. Aber die EU darf es nicht zulassen, dass sich auf ihrem Boden Monopolisten bilden, die machtvoll die Verhältnisse zu ihren Gunsten gestalten, ob sie nun Amazon heißen oder Google.

Autoren haben sich zuletzt auch zu Wort gemeldet, weil Literatur bei der Bildung offenbar immer mehr an Boden verliert.

RUISS: Wir haben ein paar Projekte lanciert, die wir 2015 weiterbetreiben werden. Wir sind etwa dringend interessiert an einer Verbesserung der schriftlichen Deutsch-Zentralmatura, die in keiner guten Verfassung ist. Wir wollen eine Umbenennung des Fachs "Deutsch" in "Deutsch und Literatur". Und wir wollen Lesen und Bücher auch schon in der Volksschule stärker einbringen. Denn wenn in den Schulen Literatur nicht mehr der Fall ist, brechen uns die Leserinnen und Leser weg.

Es gibt auch Befürchtungen, dass der ORF bei der Literatur sparen könnte, und man bekämpft die geplante Schließung des Funkhauses.

RUISS: Es gibt eine Auseinandersetzung um den öffentlich-rechtlichen Rundfunk in Österreich, und die ist vor allem eine Auseinandersetzung um Ö1, den mit Sicherheit europäisch besten Kultursender. Alle Signale weisen in die Richtung, dass man im ORF offenbar nicht versteht, über welchen Wert man da verfügt. Wenn Ö1 in einen Themencluster Wissenschaft und Kultur aufgelöst wird, geht der Charakter von Ö1 verloren. Den kann man nicht mehr wiederherstellen. Wir sehen das in Zusammenhang mit dem Verkauf des Funkhauses. Wir versuchen, Argumente zu sammeln und zu überzeugen, auch was die Standortpolitik des ORF betrifft. Er zeigt das ja selbst: Wenn er beim Song Contest etwas macht, dann will er das im Herzen Wiens machen.

Wie sehen die eigenen literarischen Pläne des Autorenvertreters Gerhard Ruiss für 2015 aus?

RUISS: Es wird viele Beiträge in verstreuten Publikationen geben, aber es zeichnet sich kein großes Projekt ab. Das hat auch damit zu tun, dass ich ein notorischer Lyriker geworden bin, die Lyrik wird aber in den Programmen der Verlage zusammengeschrumpft. Das bedeutet aber auch, in viele Projektzusammenhänge zu geraten, die äußerst spannend sind. So verzettelt arbeite ich halt weiter - an meinem Nachlass... (lacht)

Interview: Wolfgang Huber-Lang, APA