Frau Bergmann, das Burgtheater bekommt vom Eigentümer, der Republik Österreich, rund 45 Millionen Euro als Basisabgeltung für die Erfüllung des gesetzlichen Auftrags. Mitte Dezember wurde bekannt, die politischen Parteien streifen heuer 205 Millionen an Förderung ein. Frisst Sie da nicht der Neid?
KARIN BERGMANN: Neid ist keine Kategorie. Man muss einfach wissen, wenn man über die Finanzierung der Bundestheater nachdenkt, dann denkt man über die Finanzierung des weltgrößten Theaterkonzerns nach. Dieses Land sollte stolz darauf sein. Am Nationalfeiertag waren alle großen Bundeskulturinstitutionen, Theater und Museen, im Bundeskanzleramt zum Tag der offenen Tür eingeladen. Zehntausende Besucher sind gekommen, die gesamte Aktion war ein Riesenerfolg. Ich denke, wir konnten in Gesprächen mit Kulturminister Josef Ostermayer und Bundeskanzler Faymann klar zum Ausdruck bringen, welche Bedeutung die Bundestheater und die großen Museen auch überregional für dieses Land haben und wie gefährlich es ist, die Kunst in Österreich weiter zu beschneiden.


Anzeichen gibt’s dafür bei schlechter Konjunktur und schrumpfenden Budgets.
BERGMANN: Im letzten Jahr sind 700.000 Artikel über Österreich in der Weltpresse erschienen. 75 Prozent davon handelten von Kultur. Also, die Kunst vertritt unser Land international. Wenn nicht gerade übers Schifahren gesprochen wird, dann über unsere Arbeit in den Theatern und Museen. 


Sie haben einen langfristigen Vertrag bis 2019. Im März übernahmen sie die Baustelle Burgtheater provisorisch, seit rund zwei Monaten sind sie definitiv bestellt. Wie steht’s um die Sanierungsarbeiten?
BERGMANN: Wir sind eigentlich auf einem sehr guten Weg. Theater ist immer Krise, lautet meine Ansage, und Krise muss nicht Katastrophe heißen. Ich verwende lieber den Begriff Zeitenwende. Wir sind aus dem, was anfangs eine Riesenkatastrophe war, heraus. Mit dem 100-Punkte-Maßnahmenkatalog, den Thomas Königsdorfer, der kaufmännische Geschäftsführer, und ich entwickelt haben, sind wir seit einem halben Jahr gut unterwegs, auch dank der Wertschätzung des Publikums. Bei der Auslastung steht noch immer eine 8 vorne, also 81 Prozent, auch die Einnahmenseite ist im Plan. Wir können arbeiten und auch einigermaßen flexibel agieren. So wie wir es jetzt mit der Produktion „John Gabriel Borkman“ machen, die wir gemeinsam mit den Festwochen planen, für die Birgit Minichmayr an das Haus zurückkehrt. Dass ihre Rückkehr gleich in meiner ersten Saison gelungen ist, macht mich schon glücklich. Trotz aller künstlerischen Erfolge bleibt die betriebliche Situation schwierig, und jeder hier weiß das.

Personalfluktuationen sind fixer Bestandteil jeden Theaters. Neben der Rückkehr von Birgit Minichmayr gibt es kolportierte unfreiwillige Abgänge.
BERGMANN: Ich habe und ich werde keine Namen nennen, solange das nicht mit den Betroffenen fest vereinbart und im Haus kommuniziert ist.


Daniel Sträßer, der spätestens in „Der Möwe“ den Durchbruch geschafft hat, soll freiwillig das Burgtheater verlassen.
BERGMANN: Es ist für das Haus bedauerlich, dass so ein wichtiger junger Schauspieler in seinem dritten Jahr, für das wir eine prominente Rolle verabredet hatten, fragt, ob er für ein internationales Filmprojekt mit 40 Drehtagen freihaben kann. Natürlich lege ich ihm keinen Stein in den Weg und habe diesen Filmurlaub ermöglicht. Einen jungen Menschen muss man ziehen lassen, wenn er das will. Das ist meine prinzipielle Haltung. Aber wenn er dann vorschlägt, er könne eine attraktive Rolle doch auch als Gast spielen, dann sage ich Nein. Das ist auch eine prinzipielle Haltung. Ich suche mir lieber in unserem Ensemble eine entsprechende Besetzung.

Die Kinder- und Jugendtheaterschiene an der Burg wurde ziemlich zurückgeschraubt.
BERGMANN: Zurückgeschraubt wurde wenig, in dieser Spielzeit ist nur das Schülertheatertreffen weggefallen. Ich verändere die Finanzierung und auch die Strukturen, wobei hier die Junge Burg auch in Zukunft eine wichtige Rolle spielen wird.


Maja Haderlap ist Ihre Wunschkandidatin für das Zimmern des Projekts „Nachbarhaus“. Wie steht’s um die Ausführung?
BERGMANN: Maja Haderlap bereitete mir in den ersten Monaten zurück am Haus eine der schönsten und erfreulichsten Begegnungen. Wenn man sie trifft, merkt man zum einen, dass sie ein absoluter Theaterprofi ist, sie war 15 Jahre Chefdramaturgin in Klagenfurt, zum anderen, dass die Bachmann-Preisträgerin eine hochinteressante Künstlerin in ihrem eignen Kosmos ist. Für sie bin ich auf Georg Schmiedleitner zugegangen, nachdem ich mit ihm beim „Zerrissenen“ 2001 und zuletzt bei den „Letzten Tagen der Menschheit“ so eine tolle Erfahrung gemacht habe. Maja Haderlap und Georg Schmiedleitner werden zusammenarbeiten: Sie macht die Dramatisierung von „Der Engel des Vergessens“, er wird inszenieren. Unser Umgang mit den Kärntner Slowenen in der Nazizeit ist ein Thema, das für uns wichtig ist. 


Diese Dramatisierung des ausgezeichneten Romans kommt 2015/16 auf die Bühne?
BERGMANN: Ja. Und ich habe Maja Haderlap auch gefragt, ob sie nicht als Kuratorin für unser Projekt „Nachbarhaus“ fungieren kann. Ich möchte mit unseren östlichen Nachbarländern stärker zusammenarbeiten. Österreich war einmal ein großes Reich und hat viel von den dort vorkommenden unterschiedlichen Kulturen profitiert. Wir sollten die alten Verbindungen nützen. Ich habe gerade beispielsweise mit dem ungarischen Regisseur Árpád Schilling gesprochen, den ich mir wieder sehr für unser Haus wünsche. 


Naheliegende Frage, kurz nach dem Weihnachtsfest. Was hat sich die Burgtheaterdirektorin vom Christkindl gewünscht?
BERGMANN: Ich wünsche mir, dass alle noch unklaren rechtlichen Vorgänge rund um das Burgtheater aufgeklärt und abgeschlossen werden. Ich wünsche mir, dass es weiter geht, wie es gerade so wunderbar begonnen hat, dass wir endlich wieder mit künstlerischen Themen und Erfolgen die Zeitungsseiten füllen. Ich wünsche mir ganz besonders, da ich ja kein inszenierender Direktor bin, sondern eine Impresaria, dass es mir gelingt, die richtigen und spannenden Konstellationen zusammenzuführen. Und dass es viele gefeierte Premieren geben wird. Ich wünsche mir als erste Frau, die dieses Institut leitet, einfach Fortune.