Frau Koller, Sie werden erstmals seit Ihrer Kindheit wieder auf der Stadttheater-Bühne stehen. Welche Erinnerungen haben Sie an Ihre Anfänge?
DAGMAR KOLLER: Mein Gott, das ist ja 69 Jahre her, dass ich erstmals auf der Stadttheater-Bühne gestanden bin, und zwar in der „Gräfin Mariza“. Ich war damals in der Ballettschule Haslinger und da wurde ich schon sehr eingesetzt. Ich habe aber auch die größte Enttäuschung hier erlebt: Damals mussten die Eltern für die Kinder die Tanzkleider selbst zu Hause machen. Meine Mama war Alleinerzieherin, hatte wenig Geld und hat mir aus dem Vorhang mühsam ein Ballettkleid genäht. Ich habe immer in der ersten Reihe getanzt, weil ich die Ehrgeizigste war. Während der Probe kommt auf einmal die Frau Haslinger herauf und führt mich – ich war acht oder neun Jahre alt – von der ersten in die letzte Reihe. Ich habe gefragt: „Habe ich was falsch gemacht?“ Und sie hat gesagt: „Nein, aber dein Kleiderl passt gar nicht da vorne hin.“ Mir sind die Tränen heruntergeronnen und damals habe ich beschlossen: Eines Tages werde ich in der ersten Reihe stehen.

Das haben Sie ja sehr bald geschafft. In Ihrem Solo-Programm „Leben für die Bühne“ geben Sie am Sonntag Einblick in Ihr künstlerisches Leben . . .
KOLLER: . . . ja, das Programm ist ein ziemliches Durcheinander. Aber das liegt daran, dass ich in meinem Leben ganz viel gemacht habe von Ballett über Operette und Musical bis zum Film. Außerdem werde ich Geschichten aus meinem Leben erzählen – in Klagenfurt auch, dass die Koller-Kinder immer die schlimmsten Kinder waren. Wir haben in der Khevenhüller-Straße gewohnt und waren immer ohne Aufsicht, weil meine Mutter als Dolmetscherin bei den Engländern gearbeitet hat. Mein erster englischer Satz war: „Please give me a kaugummi.“ Dann haben die Soldaten sich den Kaugummi aus dem Mund genommen und mir in den Mund gesteckt. Das waren Zeiten. Aber jetzt bin ich ganz begeistert von Klagenfurt.

Tatsächlich?
KOLLER: Ich bin letztens bis spät in der Nacht herumspaziert und es war herrlich, weil fast niemand unterwegs war. Das hat eine Lebensqualität, da ist um 21.30 Uhr schon alles im Bett. Da habe ich schon schwer darüber nachgedacht, ob ich mir nicht doch eine kleine Wohnung in Klagenfurt zulegen sollte. Auf jeden Fall habe ich mir vorgenommen, öfter das Stadttheater zu besuchen.

Conchita Wurst hat Sie als Moderatorin für den Song Contest vorgeschlagen.
KOLLER: Ach, sie ist entzückend. Für sie ist es nur schwer, weil sie so vermarktet wird. Ich habe ihr gesagt: „Pass auf, dass du auch vom Leben noch was mitkriegst.“ Ich kenne das: In Deutschland war ich so im Radl drinnen, erst durch Helmut bin ich da ein bisschen hinausgekommen. Der hat immer gesagt: „Pass auf, dass du dich nicht verbrennst.“

Dagmar Koller und Helmut Zilk bei einem Besuch des Opernballs
Dagmar Koller und Helmut Zilk bei einem Besuch des Opernballs © AP

Heutzutage wird man auch noch ständig fotografiert, oder?
KOLLER: Wegen einem Selfie habe ich kürzlich einen Flug in den Oman versäumt. Einer hat am Flughafen angefangen und gesagt: „Frau Koller, darf ich für meine Mutter?“ Und auf einmal sind alle da gestanden und dann habe ich meinen Flug versäumt. Aber wenn man nein sagt, gilt man gleich als zickig.

Lassen Sie sich gerne fotografieren? Ich habe gelesen, dass Sie mit Ihrer Nase unzufrieden waren.
KOLLER: Die Kameramänner haben immer gesagt: „Bitte, lass dir die Nase richten.“ Weil sie so schief ist. Deswegen hatte ich auch immer Angst vor der Kamera und habe nie länger in einer Serie gespielt, weil das ja viel zu teuer gewesen wäre, mich auszuleuchten. Von dieser Kameraangst habe ich auch Jack Lemmon erzählt, als ich ihn für meine ORF-Sendung „Hallo, wie geht’s?“ interviewt habe. Er hat gesagt: „Sie müssen das Gefühl haben: It´s magic.“ Ich habe das ausprobiert – aber bei mir hat es nicht funktioniert.

Aber Sie haben zahlreiche Fernseh- und Operettenfilme gemacht.
KOLLER: Da war ich so jung und hübsch, dass alle Kameramänner in mich verliebt waren und geschaut haben, dass ich gut im Bild war. Heute verliebt sich ja keiner mehr in mich und sagt: „Pass auf, Dagi, den Kopf so halten.“ Wenn ich heute alte Filme sehe, denke ich oft: „Warum war ich so unglücklich? Ich schaue eh herzig aus.“ Erst der Helmut hat mir diese Unsicherheit genommen.

Und jetzt sind Sie entspannt?
KOLLER: Ja, weil das Alter so schön ist, wenn man gelernt hat, es anzunehmen. Man hat viel erlebt, und es gibt auch noch viel zu erleben. Es ist mir wichtig zu sagen: Man muss sich immer neue Aufgaben stellen und sich auch um sich kümmern. Ich arbeite jeden Tag an meiner Figur. Das ist nicht immer leicht. Ich trinke gerne ein Gläschen Schnaps oder einen Whiskey, dann bin ich lustig und denke mir: Die paar Kalorien werde ich schon aushalten. Stimmt leider nicht, Whiskey macht dick.

INTERVIEW: MARIANNE FISCHER