Das Motiv ist harmlos. Das Aquarell zeigt das frühere Standesamt in München. Die Farben sind gedeckt, es überwiegen helle und dunkle Brauntöne. Erst wenn man in die linke untere Ecke schaut - auf die Signatur - kann einen ein leichter Schauder ergreifen. "A. Hitler" steht da. Dieser angeblich "echte Hitler" ist am Samstag in Nürnberg für 130.000 Euro versteigert worden.

Privatier aus dem Nahen Osten

Gegen 16.30 Uhr fällt der Hammer im Nürnberger Auktionshaus Weidler. Wer ist der Bieter mit der Nummer 105, der den Zuschlag erhalten hat? Er bleibt unbekannt, zieht sich sofort unter völliger Abschirmung durch die Auktionatorin zurück, die ihre Käufer nach eigenen Worten schützen muss. Deshalb waren auch keinen TV-Teams zugelassen. Man könne vielleicht, so Familie Weidler, verraten, dass der Käufer ein Privatier aus dem Nahen Osten sei, am Tag der Auktion eigens mit dem Flugzeug angereist und von der Höhe des Betrags selber überrascht. Dass eine derart hohe Summe erzielt wurde, erklärt sich Auktionatorin Kathrin Weidler mit der zu dem Aquarell gehörenden Originalquittung aus dem Jahr 1916. Weitere Motive? Unbekannt.

Ob das 28 mal 22 Zentimeter große Bild mit dem Titel "Standesamt München" wirklich im Nahen Osten bleiben wird, ist ungewiss. Immerhin sprach einer der beiden Begleiter des Käufers laufend auf Russisch in sein Handy. Der Aufrufpreis für das Hitler-Bild - auch als "Das alte Rathaus" bekannt - hatte nur bei 4.500 Euro gelegen. Insgesamt zwölf Interessenten gab es für das Bild.

Hitler-Aquarell unter dem Hammer

Das Auktionshaus Weidler hat in den vergangenen Jahren immer wieder Gemälde von Hitler versteigert. 2009 gingen zwei Bilder für insgesamt 42.000 Euro an einen Telefonbieter aus dem Ausland. Fast jedes Jahr kommt irgendwo ein Hitler-Aquarell unter den Hammer.

Der NS-Diktator wollte ursprünglich Künstler werden. Mit Kopien von Postkartenmotiven verdiente er sich in Wien und München eine Weile seinen Lebensunterhalt. 2000 bis 3000 Zeichnungen, Aquarelle und Ölbilder soll er angeblich gemalt haben. "Hitler als mittelloser Möchtegern-Künstler hat das Motiv des Standesamtes als Souvenir an frisch Vermählte verkauft", sagt Christian Fuhrmeister, Kunsthistoriker am Münchner Zentralinstitut für Kunstgeschichte.

Daher gibt es unzählige Versionen des Motivs - Originale ebenso wie Plagiate. "Diese Fälschungen gibt es nur, weil es einen Markt dafür gibt", sagt Fuhrmeister. "Der Markt für Hitler-Arbeiten ist in Russland und den USA weiter verbreitet als in Deutschland."

Devotionalien-Jagd als Problem

"Der künstlerische Wert ist nicht als besonders hoch anzusehen - die Werke sind weder innovativ noch in irgendeiner Weise einzigartig", sagt der Wissenschafter. "Sie sind höchstens historische Dokumente, weil Hitler später eine besondere Bedeutung erlangte."

Fuhrmeisters Kollege Stephan Klingen ergänzt: "Die Nähe zu diesem Kontext erzeugt eine bestimmte Käuferschicht. Und die ist bereit, auch hohe Preise zu zahlen. Diese Devotionalien-Jagd ist das Problem."

Müsste der Handel damit nicht verboten werden? "Moralisch kann man das so sehen. Aber das deutsche Rechtssystem lässt einen solchen hoheitlichen Eingriff in die Privatsphäre nicht zu", sagt Klingen. Solange keine NS-Symbole wie etwa Hakenkreuze zu sehen sind, darf ein Bild verkauft werden. Viele Fachleute bedauern dennoch, dass die Bilder nicht unter das Verbot fallen.

Das eigene Gewissen beruhigen

Auch das Bayerische Hauptstaatsarchiv hat einige Hitler-Bilder. "Sechs davon sind gesichert echt, ungefähr 15 wahrscheinlich nicht", sagt Sylvia Krauss, Leiterin der Abteilung für Nachlässe und private Archive. Vorführen würde sie die Bilder nicht, betont Krauss. Sie sind auch nicht in den offiziellen Bestandslisten. "Wir bemühen uns darum, solche Dinge aus dem Handel zu ziehen. Wir begrüßen es nicht, wenn mit so etwas Geschäfte gemacht werden." Das Archiv bezahle für die Objekte nichts. Viele Leute wollten die Bilder aber dringend loswerden. "Sie wollen davon entlastet werden", sagt Krauss.

Das könnte auch ein Motiv für den Verkauf des Hitler-Aquarells am Samstag in Nürnberg sein. Zwei etwa 70-jährige Schwestern hatten das Bild jahrzehntelang in Seidenpapier in einer Schublade liegen. Ein Teil des Erlöses wollen sie an behinderte Kinder spenden. Auch das Auktionshaus will von seinem Anteil am Verkaufspreis etwas "für Unicef, die Kinderhilfe und das Germanische Nationalmuseum" spenden. Ein wenig klingt das nach Baldrian für das eigene Gewissen bei solchen doch etwas makaber wirkenden Transaktionen.

Von Katharina Wasmeier und Cathérine Simon/dpa