Erlernen kann man Ihren Beruf nicht. Wie sind Sie dazu gekommen?
SISSY RINGL: Ich stamme aus einem Familienbetrieb. 1985 habe ich die Konzessionsprüfung gemacht.
Was muss man für diese Prüfung können?
RINGL: Es geht im Wesentlichen um Buchhalterisches. Aber vor allem gehört zu diesem Beruf viel Liebe. Man muss fast täglich arbeiten, Freizeit oder Urlaub werden kleingeschrieben.

Wie sieht die tägliche Arbeit abseits des Fahrens aus?
RINGL: Fütterung, ausmisten, einspannen. Laut Gesetz dürfen wir den Tieren vor neun Uhr kein Geschirr anlegen, die Standplätze in Wien, also Hofburg, Michaeler- und Stephansplatz, dürfen nicht vor zehn Uhr angefahren werden. Insgesamt gibt es 58 Standplätze.

Reicht das für alle Fiaker?
RINGL: Nein, denn es gibt über 250 Konzessionen, und jede Konzession umfasst Platzkarten für sechs Pferde. Damit die Standplätze nicht „übergehen“, werden zwei Mal pro Jahr, im März und im September, Konzessionen verlost. Bin ich bei der Verlosung nicht unter den Gewinnern, verliere ich vorübergehend Platzkarten.

Wie viele Pferde besitzen Sie?
RINGL: Ich habe 20, teils in Wien/Hernals, teils in Maria Lanzendorf.

Wie heißen die denn?
RINGL: Leonardo, Esprit, Orkan, Marika, Mona, Dämon und so weiter.

Es ist ja noch nicht allzu lange her, dass Frauen noch nicht auf den Kutschbock durften.
RINGL: Ich glaube, 1987/88 sind die ersten Frauen gefahren. Ich habe mich 1989 selbstständig gemacht. Mein Vater hat seinen Betrieb bis zu seinem Tod, er starb 2012, weitergeführt.

Wie hoch ist heute der Frauenanteil in Ihrem Beruf?
RINGL: Es gibt etwa zwölf weibliche Fiaker, der Frauenanteil beträgt also rund zehn Prozent.

Widerfährt Ihnen in diesem Beruf oft Unvorhergesehenes und Aufregendes?
RINGL: Ich erinnere mich besonders an ein Ereignis. Ein Zirkus schickte dem damaligen Bürgermeister Helmut Zilk einen Elefanten zum Gratulieren auf den Platz Am Hof. Ich war gerade auf Rundfahrt, und mein Pferd war wohl schon allein durch den Geruch des Elefanten irritiert. Es hat erschrocken eingebremst, es gab ein bissl Panik. Doch letztendlich habe ich es gut hingekriegt.

Gibt es auch "prominente" Einsätze?
RINGL: Schon. Vom ORF aus etwa waren wir für Andy Borg und André Rieu engagiert, wir haben den bekannten Fernsehkoch Johann Lafer für die Carmen-Nebel-Show herumgeführt, und Aufträge kommen auch von Burg oder Oper. Einmal wurde für eine Inszenierung der „Lustigen Witwe“ in der Volksoper auf der Bühne für eine Szene ein Fiaker gebraucht.
Diese „Auftritte“ habe ich selbst absolviert.

Welches Publikum haben Sie?
RINGL: Zu unseren besten Kunden zählen die Italiener, speziell zu Weihnachten.

Was haben Sie bei Ihren Kunden gar nicht gern?
RINGL: Wenn sie sich nach den Fahrten den Pferden nähern, sie berühren und streicheln wollen. Das sollte nur in Absprache mit dem Kutscher geschehen.

Weil alle Pferde ihre Eigenheiten haben?
RINGL: So ist es, manche sind relaxt, manche aufgedreht. Pferde merken sich etwa, wenn ihnen an einer Stelle etwas Unangenehmes passiert ist, und sei es nur das laute Geräusch einer Betonmischmaschine. Wenn ich abends ein Pferd in die Koppel führe, erkenne ich genau, wie es sich an diesem Tag gefühlt hat.

Was macht an diesem Beruf keinen Spaß?
RINGL: Die gesetzlichen Hindernisse. Wir müssen für jedes Pferd ein Fahrtenbuch führen. Wenn es den Stall verlässt oder zurückkommt, erhält es eine Nummer. Tierärztliche Kontrollen sind ohnehin selbstverständlich. Durch die Bürokratie wird uns der Nerv gezogen – wenn wir um neun Uhr vor einem Hotel sein sollen, muss das 24 Stunden vorher gemeldet werden. Einmal schaffte ich es nur neun Stunden vorher. Und schon brummten sie mir eine Strafe von mehr als 200 Euro auf. Da lohnt sich die ganze Ausfahrt nicht mehr.

Im „Fiakerlied“ heißt es: „I führ zwa harbe Rappen.“Stimmt das?
RINGL: Nein. Die richtigen Fiakerpferde sind Schimmel. Das merken Sie bei Hochzeiten, Firmungen oder einer Kommunion.