Seit Jahren wird Isabella "Schatzerl" oder "Schneckerl" gerufen - vom Chef und nahezu allen Kollegen. Es mache ihr nichts aus, sagt die 47-jährige Assistentin, denn der Umgangston in der Firma sei humorvoll und sie könne sich auch einmal mit einer nassforschen Antwort revanchieren, "ohne dass die anderen gleich die Ohren anlegen".

Anders erlebt Melanie (33) den Arbeitsalltag. Seit dem Eintritt in die neue Firma ist der Vorgesetzte etwas zu freundlich. Starrt ihr nach, leckt sich die Lippen, wenn sie vorbeigeht, tätschelt onkelhaft ihren Arm, berührt sie "zufällig", sooft es geht, schickt ihr "lustige" zweideutige Cartoons per E-Mail und will endlich beim Abendessen "in Ruhe Geschäftliches" besprechen. Solche und ähnliche Situationen seien in österreichischen Unternehmen ein weitverbreitetes Phänomen, sagt Bernadette Pöcheim, Leiterin der Abteilung Frauen und Gleichstellung an der AK. "Rund 80 Prozent der Arbeitnehmer machen im Laufe ihres Arbeitslebens leidvolle Bekanntschaft damit." Sexuelle Übergriffe seien immer "Machtdemonstrationen auf sexueller Ebene. In der Mehrzahl werden noch immer Frauen belästigt", erklärt Pöcheim.

Gefährdet seien vor allem weibliche Mitarbeiter in Arbeitsbereichen, in denen fast ausschließlich Frauen arbeiten, die hierarchisch höheren Ebenen aber männlich besetzt sind, sowie auch weibliche und männliche Jugendliche. Wer sich belästigt fühlt, sollte klar "Nein" sagen, rät Pöcheim, und die Person darauf ansprechen. Hilft das nichts, kann man eine schriftliche Aufforderung folgen lassen, das unerwünschte Verhalten zu ändern oder den anderen betroffen machen, indem man auf Ehepartner/Kinder verweist. Werden die Übergriffe fortgesetzt, Datum, Ort und Zeit der Vorfälle notieren, außerdem Zeugenaussagen sammeln. Notfalls den Betriebsrat informieren, beim Arbeitgeber beschweren und externe Hilfe einholen (siehe rechts).