Sie rufen zum "Hunting" der Headhunter auf, zur Jagd nach jenen, die Topleute aus Spitzenpositionen abwerben. Was machen Headhunter, das Sie so erbost?

OTHMAR HILL: Derzeit sperren viele zu. Die Branche ist momentan die absolute Waschmaschine.

Warum nun der Jagdappell?

HILL: Headhunting ist eine alte Methode, eine nicht mehr zeitgemäße Technik, die aus Amerika kommt und mit der ich in den 70er-Jahren zum ersten Mal in Berührung gekommen bin. Der Begriff ist so stark, dass er sich durchgesetzt hat, aber nur, weil

kaum jemand ihn hinterfragt hat.

Was also ist Headhunting?

HILL: Headhunting ist Kopfjagd - das bedeutet, jemanden aus dem Sattel zu schießen, ihn dingfest zu machen, zum Sheriff zu bringen, Kopfgeld zu kassieren. Wenn man über diese Technik redet, muss man das klar sagen, weil es auf falschen Prämissen aufbaut, nämlich auf denen des schwarzen und grauen Managementmarkts.

Wie viel Prozent umfasst denn der "verdeckte" Markt?

HILL: Ich schätze den verdeckten Markt im Bereich der Toppositionen in Österreich auf rund 60 Prozent. 30 Prozent inserieren Toppositionen in der Zeitung, zehn im Internet. Der Personalberatermarkt umfasst etwa neu bis zehn Prozent vom Gesamtmarkt. Headhunting kreiert einen Schwarzmarkt. Aufträge an Headhunter ergehen häufig mit der Auflage, bereits getroffene Personalentscheidungen vordergründig zu objektivieren. Wenn ich mir die Misserfolgsbilanz diverser internationaler Headhunter in den letzten Jahren ansehe, bleiben wenige geglückte Besetzungen über. Viele sind innerhalb von ein paar Jahren wieder weg, aber haben Abfertigungen kassiert.

Es gibt doch auch erfolgreiche Vermittlungen.

HILL: Ich sehe sie selten, vor allem im politiknahen Umfeld. Nehmen Sie Ausschreibungen, wie sie zum Beispiel Herr Grasser im öffentlichen Bereich gemacht hat. Da war ich nicht einmal zurück im Büro, hatte ich schon die Absage. So schnell kann man 80 Seiten gar nicht lesen. Und jetzt sind wir in dem Zustand, in dem wir sind. Männerklüngel und inzüchtige Personalentscheidungen führen letztlich auch zum Verfall der politischen Szene, der staatlichen Betriebe. Es ist ein Ausdruck von Korruption.

Sie arbeiten doch auch mit Headhunting.

HILL: Wir sind immer wieder gezwungen dazu, aber wir wählen ergänzend dazu eine weitaus breitere Form des Suchens und haben so eine große Auswahl an Kandidatinnen und Kandidaten. Mein Prinzip ist immer: transparente Ausschreibung - sei es über Printmedien oder digitale Plattformen und objektive Auswahlverfahren. Da bekommt dann mitunter auch eine Frau einen Generaldirektorposten. Schlimm ist es ja nur dann, wenn man nur vier Personen anruft, die man kennt und einen davon anfleht, einen neuen Job zu machen.

Werden Sie selbst hin und wieder als Headhunter bezeichnet?

HILL: Ja, das höre ich ständig. Das regt mich immer auf, denn ich bin ein typischer Wirtschaftspsychologe. Es gibt Headhunter, Sklavenhändler und Kuppler. Die Headhunter schießen jemanden aus einer bestehenden Position ab und schädigen damit auch den Mitbewerb und die Branche. Firmen investieren teilweise Millionen Euro für den Aufbau eines Topmanagers. Als Sklavenhändler bezeichne ich Händler von Lebensläufen, die von ehemaligen Personalchefs mit großem Adressbuch verschickt werden.

Sie sind Kuppler - und das ist besser?

HILL: Ja, weil wir darauf achten, dass das Matching zwischen Anforderungsprofil und Kandidatinnen bzw. Kandidaten stimmt. Es ist eine viel zu existenzielle Entscheidung, als dass man russisches Roulette spielen sollte. Eine Fehlbesetzung ist ja für den Einzelnen fatal, wenn er scheitert. Das intensive Eingehen auf die Möglichkeiten, Kompetenzen der Person im Vergleich damit, was das Unternehmen jetzt und in Zukunft braucht, ist viel Arbeit und kostet Geld, ist aber seriös.

Damit würde auch Verhaberung ein Riegel vorgeschoben.

HILL: So ist es. Ich habe nichts gegen Empfehlungen. Empfohlene Kandidaten sollen auch genauso wie alle anderen die Kompetenzanalyse durchlaufen, dann werden wir schon sehen, was los ist.

Topleute schreiben keine Bewerbung, wie kommt man an sie heran?

HILL: Wer sagt denn, dass sie das nicht tun? Was glauben Sie, wie viele Generaldirektorposten ich mit Wortanzeigen besetzt habe? Schreiben Sie 450.000 Euro Jahresgehalt, Generaldirektor und die Handynummer in das Inserat, dann rufen 200 Leute an. Zwar nicht sie selbst, aber ihre Familie. Generaldirektoren zu besetzen, ist viel leichter als Sekretärinnen. Die Welt ist voll davon, es gibt fast so viel wie Fußballtrainer.

Zeitgemäßes Recruiting ist also?

HILL: Suchen auf breiter Basis, damit ich viele brauchbare Kandidaten habe. Dann gebe ich dem Nachwuchs eine Chance, Frauen, Ausländern. Das ist speziell in dieser Republik einzufordern. Wir sind in einem ganz schlechten Fahrwasser, das hat mit verfilzten, undurchschaubaren Prozessen zu tun und zieht sich herunter bis zum Schuldirektor.

Ihrer Meinung nach ist man also gezwungen, seriöser zu sein.

HILL: Sicher, das Leben ist ja kein Ponyhof, da geht es um existenzielle Entscheidungen. Wer herumspielt, spielt mit dem Schicksal Tausender Leute, denn die Topbesetzung ist ausschlaggebend dafür, ob ein Betrieb untergeht oder floriert. Damit wird viel zu oberflächlich umgegangen. Wir tun so, als wär' das wie Sandkistenspielen.