Die ersten Tage in Pension sind bereits vorüber – wie fühlen Sie sich?
BRUNO SCHMOLINER: Gut, die letzten Diensttage waren anstrengend, weil wir die Ordination in zwei Tagen übergeben mussten.

War es schwer, einen Nachfolger zu finden?
SCHMOLINER: Sehr schwer. Viele wollen in keine Landarztpraxis.

Welchen Herausforderungen muss man sich am Land stellen?
SCHMOLINER: Ein hohes Maß an Empathie ist erforderlich. Das rate ich auch meiner Nachfolgerin. Man wird oft als Berater aufgesucht, häufig in seelischen Belangen. Hier muss man das soziale Umfeld der Patienten kennen, dadurch kann vieles an Leid begriffen und anders behandelt werden. Das nächste Spital und der nächste Facharzt sind 40 Kilometer entfernt, wir überweisen also nur in dringenden Fällen, die Verantwortung ist hoch.

35 Jahre als Arzt, welcher Fall bleibt da besonders in Erinnerung?
SCHMOLINER: Zwei Tage vor meiner Praxiseröffnung hatte ein Mädchen einen Reitunfall. Ich habe sie auf einer Holztür erstversorgt, die Röntgenbilder im Krankenhaus Friesach zeigten einen Querschnitt. Die Wirbelsäule war zu 90 Grad abgeknickt. Ich dachte damals nur: Mein erster Patient darf kein Querschnitt werden. Nach der Überstellung nach Graz und zwei Operationen später trat das Wunder tatsächlich ein. Zu Hause, drei Wochen danach, winkte mir das Mädchen am Fenster stehend zu.

Das bewegt natürlich.
SCHMOLINER: Es gab noch eine zweite Schicksalsfügung. Wir bewohnten anfangs ein Zimmer auf einem Bauernhof in Glödnitz, die ganze fünfköpfige Familie. Plötzlich fuhr ein Einheimischer mit dem Moped in den Hof und schrie: ,Doktor, schnell. Meine Frau bekommt ihr Kind. Ich hab schon den Kopf gesehen.‘ Da bin ich gerade noch rechtzeitig zur Patientin gekommen und erlebte somit meine erste Hausgeburt.

Wie haben Sie alles unter einen Hut gebracht, Praxis und Familie?
SCHMOLINER: Vieles war nur durch meine Frau möglich, die immer hinter mir stand. Sie hat zu 95 Prozent die Erziehung der Kinder übernommen und war als medizinisch-technische Analytikerin in der Praxis tätig. Ich war ja auch 20 Jahre Flugrettungsarzt und habe diese Einrichtung wesentlich mit aufgebaut.

Ein Grund für Ihre vorzeitige Pensionierung war die Diskussion um die Apotheke, welche 2016 in Weitensfeld eröffnen soll?
SCHMOLINER: Das war mein Hauptgrund, damit meine Nachfolgerin die Hausapotheke noch bis 2018 behalten kann. 48 Prozent von meinem Gesamtumsatz machte die Hausapotheke aus. Und keiner wird nun unsere Honorare erhöhen, damit die Landärzte alleine davon leben können.

Sehen Sie medizinische Versorgung am Land somit in Gefahr?
SCHMOLINER: Sehr. All das, was den Landarzt ausmacht, wird es bald nicht mehr geben: Visitenfahrten, Gespräche, die persönliche Ebene fällt komplett weg.

Also die Zeit zum Zuhören?
SCHMOLINER: Genau. Manche erwarten nur, dass man ihnen einfach einmal zuhört. Und man muss den Patienten im wahrsten Sinne des Wortes auch in die Hand nehmen, behandeln. Heute wird alles andere zuerst gemacht, ein CT oder MRT. Dann erst wird der Patient angesehen, das ist eine reine Apparatemedizin.

Ihre künftigen Pläne?
SCHMOLINER: Meine vier kleinen Enkelkinder in erster Linie. Und reisen. Aber nächste Woche fahr ich schon wieder auf ein Seminar, denn die Medizin lässt mich einfach nicht los.