Heute schon die Mails gecheckt? Auf Facebook geliked? Ein SMS verschickt und über die Headlines gescrollt? Nein, oh weh, fomo!
„fomo“ (fear of missing out - übersetzt: die Angst etwas zu verpassen) plagt inzwischen viele Menschen in unserer von Virtualität geprägten Welt. Unter dem gleichnamigen Titel legen die „Hungry Sharks“ um Valentin „Knuffelbunt“ Alfery und Dusana Baltic zum dritten Mal seit 2009 ihre Finger auf gesellschaftlich Brisantes. Im neuen Tanztheater „fomo“ verhandeln sie den Hunger nach Authentizität, die verführerische Wärme sozialer Netzwerke sowie die unmittelbare Härte eines Online-Entzugs.
„Es kreuzen sich kaum noch unsere Blicke im öffentlichen Raum“, erklärt der gebürtige Wiener Alfery im Interview. „Die meisten Menschen starren ständig auf ihr Display.“ Gerade für einen Breakdancer wie Alfery, der ganzkörperlich, von den Haarwurzeln bis zu den Zehenspitzen kommuniziert, ist diese Reduktion auf Augen und Daumen diskussionswürdig. Wobei er keinen moralischen Zeigefinger heben will, dazu ist das Thema zu komplex und heikel. „fomo“ wirft mehr Fragen auf, als es beantwortet. „Das Stück ist für alle Altersstufen interessant“, meint Alfery und verweist auf die Debatte um den angemessenen TV-Konsum in den 1960er Jahren. „Aber natürlich wollen wir besonders junges Publikum ins Theater holen.“
Mitstreiter für „fomo“ aus der Urban Dance Community waren schnell gefunden. Dusana Baltic übernahm die Produktionsleitung, Alfery entwickelte das künstlerische Konzept und gemeinsam mit vier weiteren Tänzern die Choreografie. Aus intensivem Body- und Brainstorming sowie zahllosen Improvisationen schälte er schließlich den dramaturgischen Bogen des Stücks. Inzwischen wird nur mehr feingetunt.
Während man in Frankreich seit Jahren urbane Tanzstile wie Breaking, Locking und Hip-Hop-Freestyle als gleichberechtigte, zeitgenössische Tanzformen schätzt, passiert diese Aufwertung im deutschsprachigen Raum nur zögerlich. Dem Tausendsassa Alfery könnte es gelingen, hier eingefahrene Perspektiven zu verschieben. Sein breit gefächerter Erfahrungsschatz als Breaker, Battler, Master of Ceremony, Puppenspieler bei den Bregenzer Festspielen oder Tänzer kommen ihm dabei zugute. Dass der 30-jährige Wahlklagenfurter die schmale, aber zunehmend umtriebige lokale Szene bereichert, steht außer Streit.