Der Autor Peter Reichard, ein Journalist und ehemaliger Kripobeamter aus Hamburg, beschäftige sich seit Jahren mit dem Entführungsfall. Es gehe ihm mit seinem Buch darum, Kampusch gegen Vorwürfe und Verschwörungstheorien in Schutz zu nehmen. "Das war ein Versuch, diesem Opfer endlich zur Gerechtigkeit zu verhelfen", beteuerte er.

Mit einer Klage von ihr hätte er deshalb im Traum nicht gerechnet. Die brachte Kampusch deshalb ein, weil die 28-Jährige erreichen will, dass das Buch in der derzeitigen Form nicht mehr verbreitet werden darf.

Verletzung der Privatsphäre

Kampusch wendet sich aber nicht gegen das ganze Buch, sondern gegen einen bestimmten Teil. Zur Verhandlung war sie nicht gekommen. In dem Buch beschreibt Reichard sehr ausführlich Szenen aus Videos, die der Entführer Wolfgang Priklopil von seinem Entführungsopfer und sich gemacht hatte. Kampusch betrachtet diese Passagen als eine Verletzung ihres Persönlichkeitsrechts.

Ihre Anwälte brachten den Fall nach Köln, weil die dortige Pressekammer nicht gerade als pressefreundlich gilt. Sie war es etwa, die Wetter-Moderator Jörg Kachelmann für Prozessberichte in der deutschen "Bild" eine Entschädigung in Rekordhöhe zusprach. Nicht erst seit dieser Entscheidung gilt Köln als gute Adresse, will man gegen eine Veröffentlichung vorgehen.

Kölner Kammer: kein Grund für Verbot

In diesem Fall allerdings sah die Kölner Kammer keinen Grund für ein Verbot. Der Vorsitzende Richter Dirk Eßer wies darauf hin, dass Kampusch in ihrem eigenen Buch ganz ähnliche Szenen geschildert habe. "Wenn man das vergleicht, dann war das eigentlich durchaus vergleichbar", sagte er. Reichard hatte zudem eidesstattlich erklärt, dass er Kampusch das Buch mitsamt den umstrittenen Passagen zum Lesen vorgelegt hat. So tendierte die Kammer dazu, den Verbotsantrag abzuweisen. Die Entscheidung wird am 1. Juni verkündet.

Die Motive von Kampusch sind unklar. Ihr Anwalt sagte, es sei etwas anderes, wenn ein Verbrechensopfer selbst qualvolle Momente seines Martyriums schildere, als wenn das ein anderer tue. In Kürze will sie selbst ein neues Buch herausbringen: "10 Jahre Freiheit" soll es heißen, passend zum zehnten Jahrestag ihrer Flucht.

Liebenswürdig, aber schwierig

Reichard sagte aus, er habe sie als liebenswürdigen, aber auch sehr schwierigen Menschen kennengelernt. Wer würde etwas anderes erwarten nach der achteinhalbjährigen Hölle, durch die sie als Mädchen und junge Frau gegangen ist? Egal, wie das Verfahren ausgehe, er wünsche Natascha Kampusch immer nur das Beste, versicherte Reichard nach der Verhandlung.