Eine 51-Jährige aus dem Großraum Berlin ist nach eigenen Angaben mehr als drei Monate lang in dem Haus in Höxter misshandelt worden. Das hat die Frau inzwischen ausgesagt, wie es am Mittwoch in einer gemeinsamen Mitteilung von Polizei und Staatsanwaltschaft hieß.

Die Frau war demnach von Ende 2011 bis März 2012 in dem Haus im Ortsteil Bosseborn festgehalten worden und hatte keine Möglichkeit zu fliehen. Beide Beschuldigten hätten sie körperlich misshandelt. Nach einer "erheblichen körperlichen Auseinandersetzung" sei sie dann von dem verdächtigen Paar zum Bahnhof gebracht und in einen Zug nach Hause gesetzt worden.

Aus Angst vor angedrohter Gewalt habe sie die Polizei nicht eingeschaltet - bis nun die Misshandlungsfälle von Höxter bekannt geworden sind. Die 51-Jährige hatte das Bauernhaus in den Medien wiedererkannt und sich am Sonntag bei der Polizei gemeldet. Kennengelernt hatte sie den beschuldigten Mann, weil sie ihm auf eine Kontaktanzeige geantwortet hatte. 

Opfer sind Instrument für Machtrausch

In dem früheren Bauernhaus in Ostwestfalen soll das Paar über Jahre hinweg verschiedene Frauen festgehalten und gequält haben. Mindestens zwei der Frauen sollen dabei getötet worden sein. Die Ermittler vermuten als Motiv sadistische Machtspiele: Die eigene Ohnmacht wird "durch Gewaltausübung in das Gefühl von Allmacht" verwandelt, erklärte der Essener Psychotherapeut Christian Lüdke. Er ist Spezialist für die Betreuung von Gewalt- und Kriminalitätsopfern.

"Menschen, die solche Taten begehen, sind sogenannte antisoziale Täter. Früher hat man sie als Psychopathen bezeichnet. Sie sind eiskalt, berechnend, haben keine Gefühle", erklärte der Experte in einem Gespräch mit der Deutschen Presse Agentur. "Sie üben im Grunde genommen nur eine unglaubliche Macht aus - sie sind Herr über Leben und Tod." Dabei seien die Opfer nur ein Instrument zum Machtmissbrauch.

Keine starke emotionale Bindung

Solche Menschen hätten schon in ihrer Ursprungsfamilie keine starke emotionale Bindung gehabt. Sie würden sich "extrem ohnmächtig" fühlen. Die Macht über einen anderen Menschen laufe in erster Linie über Angst, betonte der Psychotherapeut. "Das heißt also, auch die Mittäterin wird wahrscheinlich große Angst gehabt haben: Wenn ich nicht mitmache, dann werde ich möglicherweise selbst zum Opfer."

Zum anderen gebe es häufig eine psychische Störung bei solchen Täterpaaren, die man als Folie a deux bezeichnet (eine "Verrücktheit zu zweit"): "Einer, der Haupttäter, hat die psychische Störung, und infiziert den anderen mit normaler Gesundheit."

Keine Hinweise auf weitere Opfer

Die Ermittlungen laufen laut Polizei auf Hochtouren. Am Mittwochvormittag sei das Wohnhaus mit Kräften einer Einsatzhundertschaft ausgeräumt worden, um weitere Spuren zu sichern. Auch Hinweisen aus der Bevölkerung geht die Polizei nach. Allerdings gebe es bisher keine neuen Hinweise auf weitere Opfer.