Das Urteil, das am Freitag am Wiener Neustädter Landesgericht gefällt wurde, ist noch nicht rechtskräftig. Die Causa ist nämlich berichtspflichtig. Das bedeutet, dass die Staatsanwaltschaft den Akt der Oberstaatsanwaltschaft zur endgültigen Entscheidung vorlegen muss.

Die Gefängnisdirektorin, die jetzt eine Wiener Justizanstalt leitet, hatte sich seit Prozessbeginn Ende Juni "nicht schuldig" bekannt. Dass die Beamtin, die den Rang eines Oberst innehat, die Lehrlinge zum Abtippen von Teilen ihrer Bachelorarbeit für zwei Fachhochschullehrgänge eingesetzt habe, bestritt die Angeklagte gar nicht. Dass dies amtsmissbräuchlich geschehen sei, wies sie aber von sich.

Keine dienstfremden Tätigkeiten

Verteidiger Manfred Ainedter erklärte dazu: "Ein Ausbildungszweck der Lehrlinge war ja auch, dass sie lernen sollten, am Computer zu schreiben." Außerdem gehe der Vorwurf ins Leere, dass es sich bei den Schreibarbeiten um dienstfremde Tätigkeiten gehandelt haben soll. Denn die Weiterbildung der Frau Oberst an der Fachhochschule sei vom Dienstgeber nicht nur goutiert, sondern auch gefördert worden. "Außerdem handelte es sich bei den Tipparbeiten um das Abschreiben von Interviews mit Häftlingen, die Fußfesseln getragen haben. Das ist doch Praxis pur. Das kann doch für Lehrlinge nur förderlich sein", meinte der Anwalt.

Die ehemalige Personalchefin in der Vollzugsdirektion (oberste Leitung des Straf- und Maßnahmenvollzugs, die jetzt in die Generaldirektion "umgewandelt" wurde, Anm.) erklärte im Zeugenstand, dass es sich bei den Tipparbeiten um "private Aufträge" der Gefängnisleiterin gehandelt habe. Wenn die Angeklagte im Dienstweg um eine derartige Verwendung ihrer Lehrlinge angesucht hätte, wäre dies abgelehnt worden.

Freispruch im Zweifel

Der Wiener Neustädter Schöffensenat unter dem Vorsitz von Richterin Gertraud Eppich fällte einen Freispruch im Zweifel: Objektiv sah das Gericht den Tatbestand des Amtsmissbrauchs als verwirklicht. "Sie hätten als Beamtin, als Vorgesetzte den Lehrlingen eine adäquate Ausbildung zukommen lassen müssen. Das Abtippen der von Ihnen geführten Interviews für eine Bachelorarbeit ist für Lehrlinge in der Justizverwaltung eine dienstfremde Tätigkeit", so Eppich.

Allerdings sah der Senat die subjektive Tatseite, nämlich die Wissentlichkeit, nicht "mit der für ein Strafverfahren erforderlichen Sicherheit" verwirklicht. Es sei eine "schwammige Trennlinie" gegeben gewesen, ob die Angeklagte den Auftrag zu den Tipparbeiten als Privatperson oder als Leiterin der Justizvollzugsanstalt erteilt habe. Schwammig deshalb, weil der Angeklagten für die Weiterbildung an der Fachhochschule einerseits ein Sonderurlaub als auch ein Kostenzuschuss gewährt worden waren. Daraus könne auf ein dienstliches Interesse an der Ausbildung der Gefängnisdirektorin geschlossen werden, hieß es in der Urteilsbegründung.

Über den Anklagevorwurf, eine Vertragsbedienstete missbräuchlich um ihre Dienste gebeten zu haben, gab es einen glatten Freispruch. Die Angeklagte hatte die Schreibkraft ersucht, ihr ein Computerprogramm zu erklären.