Der mittlerweile 17-jährige Wiener Jugendliche, der sich im Vorjahr der Terror-Miliz "Islamischer Staat" (IS) angeschlossen hatte und im März nach Österreich zurückgekehrt war, ist am Mittwoch im Landesgericht zu zweieinhalb Jahren unbedingter Haft verurteilt worden. Er wurde wegen Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung und Aufforderung zu terroristischen Straftaten schuldig erkannt.

Freigesprochen wurde der Jugendliche vom Vorwurf, aktiv an Kampfhandlungen teilgenommen zu haben. Diesbezüglich sei die Beweislage "nicht ausreichend", legte die vorsitzende Richterin Alexandra Skrdla in der Urteilsbegründung dar. Der Senat ging davon aus, dass der 17-Jährige - wie von ihm behauptet - vom IS als Rettungsfahrer im Kampfgebiet eingesetzt wurde. Demgegenüber freigesprochen wurde der Bursch von der inkriminierten Ausbildung für terroristische Zwecke. Es sei im Zweifel nicht erwiesen, dass der Jugendliche eine Ausbildung in einem Terror-Camp durchlaufen hatte, erklärte Skrdla.

"Tat- und schuldangemessen"

Bei einer Strafdrohung von bis zu fünf Jahren erschien dem Senat eine Freiheitsstrafe von zweieinhalb Jahren "tat- und schuldangemessen", wie die Vorsitzende ausführte. Ein bedingter oder teilbedingter Strafnachlass kam vor allem aus generalpräventiven Gründen nicht in Betracht, obwohl der 17-Jährige keine gerichtlichen Vorverurteilungen aufwies.

"Vor allem Jugendliche wie Sie sind anfällig für solche Ideologien und laufen Gefahr, dasselbe zu tun wie Sie. Dem muss auf jeden Fall Einhalt geboten werden. Es muss ein Signal nach außen geben, was passiert, wenn man sich auf so etwas einlässt", stellte Richterin Alexandra Skrdla fest. Außerdem sei auch der lange Deliktszeitraum ("Sie waren immerhin ein halbes Jahr im IS-Gebiet und haben sich dort betätigt") erschwerend zu werten. Skrdla betonte darüber hinaus, dass aus Sicht des Gerichts der Jugendliche nicht unbedingt freiwillig im Sinne einer inneren Abkehr vom IS zurückgekehrt sei: "So freiwillig war die Rückkehr nicht. Grundlage war Ihre Verletzung. Da ist es für Sie ungemütlich geworden."

Das Urteil ist nicht rechtskräftig. Der 17-Jährige bat nach Rücksprache mit seinem Verteidiger um drei Tage Bedenkzeit. Die Staatsanwältin gab vorerst keine Erklärung ab.

Kämpfer oder Selbstmord-Attentäter

Als der mittlerweile 17 Jahre alte Wiener im Vorjahr beim "Islamischen Staat" (IS) einlangte, fand eine Einteilung in zwei Gruppen statt. Die 300 bis 400 Neuankömmlinge konnten sich entweder als Kämpfer oder als Selbstmord-Attentäter melden, erzählte der jugendliche Angeklagte am Vormittag dem Schöffensenat unter dem Vorsitz von Alexandra Skrdla.

Er habe sich als Kämpfer gemeldet, berichtete er: "Ich wollte leben und das Leben genießen." "Und wie viele haben sich als Selbstmord-Attentäter gemeldet? Damit wir wissen, was auf uns zukommt", warf der beisitzende Richter Norbert Gerstberger ein. "60 bis 70", beschied ihm der Angeklagte. Darunter hätte sich ein Mexikaner befunden, mit dem er sich näher unterhalten habe: "Er hat mir erklärt, er will sterben, er will zu den Jungfrauen." Selbstmord-Attentätern habe man nämlich versprochen, im Jenseits würden sie mit 72 Jungfrauen "belohnt" werden: "Damals habe ich daran geglaubt. Mittlerweile nicht mehr."

Nur einmal eine Waffe bedient

Der Angeklagte versicherte erneut, er habe keine Waffenausbildung erfahren und an keinen Kampfhandlungen teilgenommen. Man habe ihm nur einmal kurz gezeigt, wie man eine Kalaschnikow entsichert, repetiert und abfeuert. Schießübungen habe es keine gegeben. Er habe mit einer Kalaschnikow nur einmal in die Luft geschossen, "weil ich ausprobieren wollte, wie das ist".

Vor Häusern von IS-Kämpfern habe er Wache geschoben, "damit niemand rauskommt und keiner reinkommt", erzählte der 17-Jährige weiter aus seinem Leben bei der Terror-Miliz. Auf die Frage, woran er Feinde erkannt hätte, wenn sich solche angenähert hätten, verwies der Bursch auf die syrische Flagge. Hätte jemand eine solche bei sich gehabt, hätte er den Betreffenden als Feind eingestuft. Weiters erwähnte er in diesem Zusammenhang "Ungläubige" und "Die, die nicht kämpfen". Die Frage, wie er Ungläubige denn identifiziert hätte, blieb unbeantwortet.

Er habe an einem einzigen "Fronteinsatz" teilgenommen, und zwar als Rettungsfahrer bei der Schlacht um Kobane, gab der Angeklagte noch zu Protokoll. Wäre er allerdings gefragt worden, ob er kämpfen wolle, hätte er dies bejaht.

"Rasches Umdenken unmöglich"

Gerichtspsychiaterin Gabriele Wörgötter hält den Burschen, der im März des heurigen Jahres nach Wien zurückgekehrt ist, für nicht geläutert. "Ich halte es für ausgeschlossen, dass ihm ein rasches Umdenken möglich ist", sagte die Sachverständige. In dem seit Montag laufenden Terror-Prozess hatte die Psychiaterin im Gerichtsauftrag die Fragen nach der Zurechnungsfähigkeit, der Reife und vor allem der Gefährlichkeit des Angeklagten zu beurteilen. Die Reue und Einsicht, die der 17-Jährige vor Gericht an den Tag gelegt hatte, erschienen Wörgötter "sehr vordergründig und an der Oberfläche". Eine tiefgreifende Auseinandersetzung mit dem inkriminierten Geschehen hätte noch nicht stattgefunden.

Scheidungskind

Der Bursch hätte sich aufgrund seiner speziellen Persönlichkeitsstruktur radikalisiert und "für den Kampf in Syrien verführen lassen", erläuterte Wörgötter. Sie skizzierte in diesem Zusammenhang die Kindheit und frühe Jugend des 17-Jährigen, der in "äußerst desolaten" Verhältnissen aufgewachsen sei und nie die Geborgenheit einer Familie erfahren habe. Als er vier Jahre alt war, hatten sich seine Eltern scheiden lassen. Die Mutter, bei er blieb, war nicht in der Lage, sich um ihn und zwei weitere Kinder zu kümmern. Ab dem sechsten Lebensjahr landete er daher immer wieder im Kriseninterventionszentrum. Schließlich wurde der Bursch der Mutter abgenommen, kam in ein Kinderheim, wo er stark verhaltensauffällig war, sich nicht eingliedern konnte oder wollte und eine Außenseiterrolle einnahm. Obwohl sich seine Mutter nicht um ihn scherte, klammerte sich der Sohn weiter an sie und kehrte schließlich zu ihr zurück. Die Mutter hätte den Minderjährigen "weiter vernachlässigt und keine Erziehungsmaßnahmen gesetzt", stellte die psychiatrische Sachverständige fest. Der Vater sei "überhaupt nicht präsent" gewesen und hätte jahrelang keine Rolle gespielt. Eine Lehre zum Versicherungskaufmann brach der Bursch nach einem Jahr ab. Zuletzt ging er keiner beruflichen Tätigkeit mehr nach.

Grundlage für Radikalisierung

Dieses Aufwachsen hatte laut Wörgötter eine Persönlichkeitsentwicklungsstörung zur Folge. Die Psychiaterin sprach von einer "schweren Störung des Sozialverhaltens und der Emotionen". Der Jugendliche suche nach Halt und Bindung, die ihm die Familie verwehrt habe. Er sehne sich nach emotionalen Beziehungen. Seine Ohnmachts- und Minderwertigkeitsgefühle kompensiere er mit Gewalt und Aggressionen. "Das war die Grundlage für seine Radikalisierung", betonte Wörgötter. Die radikalislamistische Ideologie habe dem "massiv entwurzelten" Burschen Halt und Anerkennung versprochen. Der Angeklagte sei "überdurchschnittlich beeinflussbar", habe sich daher - obwohl es bis dahin keine Bezugspunkte gab - sehr rasch dem Islam in einer besonders radikalen Form zugewandt. Dort habe man ihm "Hier hast du Wurzeln, du gehörst zu uns" vermittelt.

Bei diesen Voraussetzungen hielt es die Expertin für "ausgeschlossen, dass in einem halben Jahr oder einem Jahr eine Läuterung eintritt". Der 17-Jährige habe sich nur deswegen vom IS abgewandt, weil er bei einem Bombenangriff schwer verletzt worden sei: "Es waren seine Schmerzen und seine Todesängste. Es waren nicht die Schmerzen der anderen, dass er Leichen eingesammelt und Tote gesehen hat. Ein Einfühlungsvermögen in die Schmerzen anderer hat er nicht."