Mehr als ein Drittel des europäischen Festlandes wird zumindest von einem der großen Raubtiere bewohnt, so die Forscher. Am häufigsten sind davon die Bären mit etwa 17.000 Exemplaren, gefolgt von 12.000 Wölfen und 9.000 Luchsen. Außerdem gibt es in Finnland und Skandinavien 1.250 Vielfraße. Damit beherbergt Europa etwa doppelt so viele Wölfe wie die zweimal so großen USA (ohne Alaska), die nicht einmal die halbe Bevölkerungsdichte Europas haben.

Die meisten dieser Tiere leben außerhalb von Schutzgebieten. "Die Nationalparks wären allesamt zu klein, da brächte man jeweils gerade einmal einen Bären unter, ein Luchspärchen oder ein Rudel Wölfe", erklärte Kaczensky, die an der Abteilung für Wildtiermedizin der Vetmed Uni Wien arbeitet. Menschen und Wildtiere zu trennen, sei im Fall der Großräuber also keine Option. "Deswegen ist es ermutigend zu sehen, dass ein Zusammenleben möglich ist, wenn man das will und bereit ist, gewisse Kompromisse einzugehen". Diese wären für Bauern etwa, je nach Gegebenheit Schafe hinter einem Elektrozaun zu halten, sie in der Nacht in ein geschütztes Gehege zu treiben und sie von Hirten oder Herdenschutzhunden behüten zu lassen, meinten die Forscher.

In Österreich kommen die großen Räuber aber nur "am Rande" vor, so Kaczensky. Im Schnitt fünf Bären würden pro Jahr von den Nachbarländern "nach Österreich reinschauen", ebenso einzelne Wölfe aus drei verschiedenen Populationen. Im Grenzgebiet zu Bayern und Tschechien gäbe es fünf bis zehn Luchse und im Nationalpark Kalkalpen zwei Weibchen jeweils mit Nachwuchs. Gelegentlich würden auch Luchse im Grenzgebiet zu Slowenien und Italien in Österreich gesichtet, erklärte sie.

"Fantastische Beutetierbestände"

Die Umweltbedingungen seien nicht der Grund, warum es hier so wenige Großräuber gibt, meinte die Wildbiologin. "Das Habitat in Österreich ist sehr gut, wir haben eine hohe Waldbedeckung und fantastische Beutetierbestände", sagte sie. Es hapere wohl eher an der Akzeptanz. "Es hat ja etliche Hinweise auf illegale Entnahme sowohl beim Luchs als auch beim Bären gegeben", erklärte Kaczensky. So sei etwa die Anfang der 1990er-Jahre mitten in den österreichischen Zentralalpen wiedereingesiedelte Bärenpopulation mit dem spurlosen Verschwinden des letzten Bären 2011 erloschen.

Durch das kleinräumige Reviersystem in Österreich und die bisher wenigen Luchse, Wölfe und Bären könnten illegale Aktionen von Einzelnen einen großen Effekt haben. Weil die Tiere sehr große Streifgebiete von bis zu 300 Quadratkilometern haben, kämen sie in die Reviere sehr vieler Jagdausübungsberechtigter, sagte Kaczensky. "Da braucht es nur wenige schwarze Schafe darunter geben, die auch mal eventuell den Finger krumm machen, um eine Population auszulöschen", meinte sie.