Erstmals haben Wissenschafter eigenen Angaben zufolge die von Albert Einstein vor 100 Jahren vorhergesagten Gravitationswellen direkt nachgewiesen. Die Forscher vom Gravitationswellen-Observatorium LIGO in den USA präsentierten ihre nobelpreisverdächtige Entdeckung am Donnerstag in Washington. Experten bezeichnen den Nachweis als eines der wichtigsten physikalischen Ereignisse in jüngerer Zeit.

Gravitationswellen entstehen insbesondere, wenn große Objekte wie Sterne beschleunigt werden. Sie stauchen und strecken den Raum. Die Wellen breiten sich mit Lichtgeschwindigkeit in alle Richtungen aus und verbiegen den Raum, ähnlich wie ein ins Wasser geworfener Stein die Oberfläche kräuselt.

Das Observatorium LIGO mit zwei nahezu identischen Detektoren in Hanford (US-Bundesstaat Washington) und 3.000 Kilometer davon entfernt in Livingston (US-Bundesstaat Louisiana) fing die Signatur zweier verschmelzender Schwarzer Löcher auf. Der Nachweis bestätige nicht nur die Existenz der Gravitationswellen, sondern bedeute auch eine neue Ära in der Astronomie, betonten die Forscher. France Cordova von der US-National Science Foundation verglich die Entdeckung mit dem Moment, als Galileo Galilei im 17. Jahrhundert das erste Mal sein Fernrohr zum Himmel gerichtet habe.

"Völlig neues Feld"

"Wir haben eine neue Art Teleskop gebaut und ein völlig neues Feld eröffnet", sagte einer der Ligo-Gründungsväter, Rainer Weiss vom Massachusetts Institute of Technology (MIT). Erstmals ließen sich nun Schwarze Löcher direkt beobachten, sagte Alessandra Buonanno, Direktorin am Max-Planck-Institut für Gravitationsphysik in Potsdam.

Gravitationswellen gehören zu den spektakulären Vorhersagen von Albert Einsteins Allgemeiner Relativitätstheorie. Jeder beschleunigte Körper - auch ein an der Ampel startender Autofahrer - sendet demnach Gravitationswellen aus. Sie sind umso stärker, je mehr Masse der Körper hat.

Doch selbst wenn sie von kosmischen Großereignissen wie Sternenexplosionen oder kollidierenden Schwarzen Löchern kommen, sind sie in der Regel so winzig, dass Einstein selbst nicht daran glaubte, dass man sie je messen könnte. Seit über 50 Jahren suchen Physiker einen direkten Beweis. Alle vermeintlichen Erfolgsmeldungen entpuppten sich bisher als nicht haltbar.

Dennoch gab es kaum Zweifel an der Existenz der Wellen: 1974 hatten die beiden US-Astronomen Russell Alan Hulse und Joseph Taylor zwei Neutronensterne entdeckt, die sich eng umkreisen. Ihre Umlaufzeit nimmt langsam ab, was sich exakt mit dem Energieverlust durch Gravitationswellen erklären lässt. Für diesen indirekten Nachweis bekamen sie 1993 den Physik-Nobelpreis.

Der erste direkte Nachweis ist nun offensichtlich an den beiden LIGO-Messstationen gelungen. "Wir haben die letzten vier Umläufe von zwei Schwarzen Löchern gesehen, bevor sie miteinander verschmolzen sind", berichtete der Direktor des an der Arbeit beteiligten Max-Planck-Instituts für Gravitationsphysik in Potsdam und Hannover, Bruce Allen.

Das Signal - es wurde am 14. September 2015 um 5.51 Uhr US-Ostküstenzeit entdeckt - sei sehr deutlich und lasse keine Zweifel am direkten Nachweis der Gravitationswellen, betonte Allen. Zwei Forscher des Instituts in Hannover hätten das Signal aus den USA als erste bemerkt. Das sei vormittags gewesen, als US-Forscher wegen der Zeitverschiebung noch schliefen. "Die beiden hielten es zunächst für einen künstlichen Test - das Signal war einfach zu gut!" Monatelange Analysen hätten die Echtheit des Messergebnisses bestätigt. Allen nannte den Nachweis eines der wichtigsten Ergebnisse in der Physik in den vergangenen Jahrzehnten.

Erzittern der Raumzeit

"Wenn man sich dieses Signal anschaut, ist es wie aus dem Lehrbuch", ergänzte Allens Kollege Karsten Danzmann, ebenfalls Direktor am Max-Planck-Institut für Gravitationsphysik in Hannover. An der "LIGO Scientific Collaboration" sind mehr als 1.000 Wissenschafter aus aller Welt beteiligt, darunter auch einige österreichische Forscher, die an Instituten in Deutschland, Spanien, Großbritannien und den USA arbeiten. Sie simulieren etwa Schwarze Löcher, um Gravitationswellen-Signale zu modellieren, bzw. sind an der Datenauswertung der LIGO-Signale beteiligt.

Den Analysen zufolge habe sich die Verschmelzung der beiden Schwarzen Löcher in etwa 1,3 Mrd. Lichtjahren Entfernung in einem Gebiet am Südhimmel in Richtung des Sternbilds Schwertfisch ereignet, erläuterte Danzmann. Die beiden Schwarzen Löcher hatten 29 und 36 Mal so viel Masse wie unsere Sonne.

Das aus ihrer Verschmelzung hervorgegangene Schwarze Loch besitzt jedoch nur 62 Sonnenmassen. Die Differenz von drei Sonnenmassen ist gemäß Einsteins Masse-Energie-Äquivalenz in Form von Gravitationswellenenergie abgestrahlt worden.

LIGO misst dieses Erzittern der Raumzeit in zwei jeweils vier Kilometer langen horizontalen Röhren, die rechtwinklig aufeinandertreffen. Über Laser in den Röhren lässt sich die Länge der Arme extrem genau überwachen. Läuft eine Gravitationswelle durch die Anlage, staucht und streckt sie die Arme unterschiedlich stark. Die Differenz beträgt nur rund ein Tausendstel des Durchmessers eines Wasserstoffatomkerns. Dennoch schlug der Detektor an. Die Forscher beschreiben ihre Entdeckung im Fachblatt "Physical Review Letters".

Die Beobachtung belege nicht nur die Existenz von Gravitationswellen, sondern auch von Systemen aus zwei Schwarzen Löchern, betonte Buonanno. "Wir haben immer gehofft, dass diese Systeme existieren, aber solche Doppel-Schwarzen-Löcher lassen sich nicht auf anderem Weg als mit Gravitationswellen nachweisen, denn sie senden kein Licht oder andere elektromagnetische Strahlung aus." Die Möglichkeit, Gravitationswellen direkt zu messen, stelle somit ein fundamental neues Werkzeug zur Erforschung des Universums dar. "Damit beginnt mit Sicherheit eine neue Ära in der Physik und Astronomie."