Mehr als 100 Kinder seien dort seit Anfang Jänner gestorben, sagt Shuja Qureshi von der Menschenrechtsorganisation Pakistan Institut für Arbeit, Bildung und Recherche (Piler). Das Unternehmen Alhasan, das humanitäre Daten sammelt, zählte im Jänner 139. Experten sprechen vor allem von Säuglingen, die an einer Mischung aus Unterernährung, Durchfallerkrankungen, Virusinfektionen und einem Mangel an medizinischer Versorgung stürben. Die bekannte Zahl sei aber nur "die Spitze des Eisbergs", meint der Journalist Amar Gurior aus Tharparkar. Weil der Bezirk groß, die Kliniken rar und die Straßen schlecht seien, schafften viele Eltern es mit ihren Kindern nicht rechtzeitig ins Krankenhaus. Oder machten sich nie auf den Weg.

Der Wüstenbezirk Tharparkar mit seinen hohen Sanddünen ist einer der ärmsten des Landes. Er erstreckt sich über 20.0000 Quadratkilometer. Mehr als eine Million Menschen leben dort - viele halb-nomadisch in abgelegenen Gebieten. Laut dem Welternährungsprogramm (World Food Programme - WFP) ist dies der Bezirk mit der schlechtesten Nahrungsmittelversorgung im ganzen Land. Das Wasser ist oft salzig. Dürren kommen zyklisch.

Höchste Kindersterblichkeit

Diese Faktoren verschlimmern die ohnehin hohe Kindersterblichkeit. Pakistan hat eine der höchsten Raten der Welt. Von 1.000 lebend geborenen Kindern unter fünf Jahren sterben im Durchschnitt 89, wie Experten von UNICEF sagen. In Tharparkar sei die Rate jetzt bei etwa 96 bis 100 von 1.000 Kindern, schätzt ein Mitarbeiter. Zum Vergleich: Der weltweite Durchschnitt lag 2015 bei 43 pro 1.000 Lebendgeburten.

Es sei gerade eine neue Analyse der Situation in Arbeit, und "viele Partner" arbeiteten daran, die akuten Probleme zu lindern, heißt es von der UN und dem Welternährungsprogramm. Aber eigentlich müssten grundlegende Reformen her - wie mehr Krankenhäuser, zum Beispiel. Der Leiter der örtlichen NGO Aware, Ali Akbar, klagt: Es gebe immer noch nur ein großes Krankenhaus im ganzen Bezirk. 300 Stellen im Gesundheitswesen seien unbesetzt, "und die Regierung stellt einfach niemanden ein".

Die Dürre hatte 2011 begonnen. Es sei die schlimmste seit 1998, hatte Amir Yousuf von der Al Sadiq Wüstenhilfe Organisation der Entwicklungshilfe-Publikation Irin schon 2014 gesagt. Dann gab es in der vergangenen Regenzeit wieder nicht genug Niederschlag. Und obwohl die derzeitige Krise damit vorhersehbar gewesen sei, sagen Kritiker, habe die Provinzregierung ihre Pflichten "kriminell vernachlässigt".

Yousaf Jarar verlor seinen vier Monate alten Sohn Dil Shad vor zwei Wochen. Dil Shad hatte Lungenentzündung. Sein Vater hatte es zuerst bei einem spirituellen Heiler versucht, dann mit Kräutermedizin, erzählt er. Zur Klinik wollte er nicht. Sie sei zu weit weg, und er hatte das Geld für den Transport nicht. Dann ging er doch - aber Dil Shad starb noch am gleichen Tag. Er kenne viele Leute, die in den vergangenen Wochen Kinder begraben mussten, sagt der Vater.

Es helfe nicht, dass die Provinzregierung in die Verteidigungshaltung gehe, statt zuzugeben, dass es ein Problem gebe und anzupacken, findet der örtliche Journalist Amar Gurior. "Die Regierung sagt, da sei eine Verschwörung gegen sie im Gang, und dass die toten Kinder benutzt würden, um sie zu destabilisieren. Aber das stimmt nicht." Der Gesundheitsminister von Sindh, Jam Mehtab Dahar, hatte vergangene Woche Medien beschuldigt, falsch über die toten Kinder zu berichten.

Der Ernst der Lage werde "übertrieben", sagt auch Allah Joria, Leiter der Bezirksverwaltung. "Seit Anfang Jänner wurden 40 tote Kinder gemeldet." Es fehle im Bezirk an nichts. "Wir haben genug Getreide und Medizin, und die Reaktion der Regierung ist gut und schnell."

Die Aktivisten von Piler sehen das anders. "Wir haben beim Höchsten Gericht eine dringende Petition eingelegt", sagt Shuja Qureshi. Es müsse eine Untersuchung erzwingen, über all die toten Kinder.