Gesucht: Gestandener Geschäftsmann mit Erfahrungen im weltweiten Logistikgeschäft und multinationalen Finanztransaktionen, gut vernetzt, durchsetzungsstark, geschickt in Verhandlungen. Eine gewisser Hang zur Kriminalität kann nicht schaden. So könnte die Jobbeschreibung für den derzeit wichtigsten vakanten Posten im internationalen Drogenhandel lauten.

Nach der Ergreifung von Joaquín "El Chapo" Guzman fehlt dem mexikanischen Sinaloa-Kartell eine wichtige Führungskraft. Sicherheitsexperten bezweifeln allerdings, dass die Festnahme bereits den Todesstoß für das mächtige Verbrechersyndikat bedeutet. "Das Sinaloa-Kartell verfügt über etablierte Strukturen und Verfahren - niemand ist unersetzbar", sagt Duncan Wood vom Forschungsinstitut Wilson Center.

Die Festnahme von Guzman ist sicherlich ein großer Erfolg für die Regierung. Sie stärkt das Vertrauen in die Behörden und ist ein deutliches Zeichen gegen die weitverbreitete Straflosigkeit in Mexiko. Allein die Jagd nach den Kartellbossen wird die Macht der organisierten Kriminalität allerdings nicht brechen.

Experten raten schon lange dazu, die Finanzströme der Kartelle trockenzulegen. Dazu sollten die Ermittler auch die internationalen Großbanken stärker in den Fokus nehmen, die den Kartellen beim Waschen des Drogengeldes helfen. "Wenn die Infrastruktur des Kartells nicht zerstört wird, wird es weitermachen", sagt der ehemalige Leiter der Auslandseinsätze der US-Antidrogenbehörde DEA, Mike Vigil.

Als "El Chapo" von Februar 2014 bis Juli 2015 im Hochsicherheitsgefängnis El Altiplano inhaftiert war, gingen die Geschäfte allem Anschein nach reibungslos weiter. Im am Samstag von der Zeitung "Rolling Stone" veröffentlichten Interview, das der US-Schauspieler Sean Penn mit dem flüchtigen Drogenboss geführt hatte, sagt Guzman selbst: "Soweit ich weiß, hat sich nichts verändert. Es hat nicht abgenommen. Es hat nicht zugenommen."

Nach blutigen Verteilungskämpfen gegen das rivalisierende Juarez-Kartell und das Verbrechersyndikat Los Zetas in den vergangenen Jahren konnte Guzmans Organisation seine Position in der mexikanischen Unterwelt zuletzt sogar festigen. "Das Sinaloa-Kartell hat seine Stellung als dominante Kraft offenbar zementiert", schreiben die Analysten des auf Kriminalität spezialisierten Nachrichtenportals Insight Crime. Auch Wood vom Wilson Center sagt: "Im Verhältnis zu anderen Verbrechersyndikaten hat das Sinaloa-Kartell zuletzt seine Position sogar noch ausgebaut."

Geschäftsführung aus dem Gefängnis

Alles deutet darauf hin, dass "El Chapo" in der Lage ist, auch aus dem Gefängnis heraus die Geschäfte zu führen. "Solange er nicht an die USA ausgeliefert wird, behält er die Kontrolle. Das hat er beim letzten Mal auch schon gemacht", sagt der Sicherheitsexperte Alejandro Hope. "Er steht im engen Kontakt mit seinen Regionalchefs im ganzen Land."

Hinzu kommt, dass Guzman zwar der bekannteste, jedoch nicht der einzige Anführer der "Federacion" (Bündnis) ist, wie seine Organisation wegen der lockeren Struktur auch genannt wird. Das Sinaloa-Kartell ist traditionell dezentral strukturiert. Mehrere eigenständige Banden ringen innerhalb des Verbrechersyndikats ständig um Einfluss und Geschäftsfelder.

Zunächst dürfte nun der zweite starke Mann des Kartells, Ismael Zambada Garcia alias "El Mayo", die Geschäfte weiterführen. Eine dauerhafte Lösung dürfte das aber nicht sein. ""El Mayo" geht auf die 70 zu", sagt Sicherheitsexperte Hope. "Wenn er in Pension geht, stirbt oder gefasst wird, wird ein Kampf um die Nachfolge ausbrechen. Das könnte das Ende der Organisation bedeuten, wie wir sie kennen."