er in Brasilien von mehr als 100 Millionen Menschen genutzte Kurzmitteilungsdienst WhatsApp ist nach über 24 Stunden Blockade wieder entsperrt worden. Ein Richter hatte zuvor angeordnet, den Internetdienst für drei Tage zu sperren. Mit dieser Maßnahme sollte WhatsApp offensichtlich dazu gezwungen werden, Chat-Protokolle in Kriminalfällen an Ermittler auszuhändigen. 

Am Dienstag allerdings gab ein Gericht im Bundesstaat Sergipe dem Einspruch des Facebook-Tochterunternehmens zum vorzeitigen Ende der Blockade statt, berichtete das Portal "O Globo". Das Unternehmen hatte die Sperre als völlig unverständlich und überzogen bezeichnet.

Hintergrund

Die Nachrichtenseite G1 berichtete, Hintergrund für die landesweite Blockade der beliebten Smartphone-App sei ein Gerichtsstreit mit der Muttergesellschaft Facebook. Mit der Anordnung habe der Richter auf die Weigerung von Facebook reagiert, ihm Informationen für ein Strafverfahren gegen einen Ring mutmaßlicher Drogenschmuggler zur Verfügung zu stellen.

Der drastische Schritt wurde im Bundesstaat Sergipe von dem Richter Marcel Montalvao angeordnet, der auch die kurzzeitige Festnahme des Vizepräsidenten von Facebook für Lateinamerika, Diego Dzodan, Anfang März verfügt hatte. Dzodan wurde damals vorgeworfen, er habe sich einer richterlichen Anordnung widersetzt, Gesprächsprotokolle mutmaßlicher Drogenhändler an die Ermittler weiterzugeben. Worum es in dem aktuellen Fall genau geht, wurde zunächst nicht bekannt.

Kein Whatsapp seit Montag

Seit Montagnachmittag funktionierte der Dienst in Brasilien nicht mehr, einzelne Ausnahmen gab es zeitweise mit WLAN-Verbindungen. WhatsApp hat die SMS-Textnachrichten weitgehend abgelöst, mit einer Internetverbindung können über den Dienst kostenlos Nachrichten, Fotos und Videos verschickt werden. Das weltgrößte Online-Netzwerk Facebook hatte WhatsApp 2014 für rund 22 Milliarden Dollar (heute 19,14 Mrd. Euro) gekauft. Weltweit gibt es eine Milliarde Nutzer.

WhatsApp reagierte mit Unverständnis - im Rahmen seiner Möglichkeiten habe man immer mit der brasilianischen Justiz kooperiert. "Diese Entscheidung bestraft mehr als 100 Millionen Brasilianer, die unseren Service zur Kommunikation brauchen", kritisierte der Dienst. In kaum einem Land wird WhatsApp so genutzt wie in Brasilien - sei es die Verabredung zum Strandbesuch, das Bestellen des Taxis, das Reservieren im Restaurant.

Ende-zu-Ende-Verschlüsselung

Mitgründer und Chef Jan Koum betonte zugleich, man werde nicht nachgeben und die Sicherheit der eine Milliarde WhatsApp-Nutzer weltweit nicht gefährden. Der Dienst stellte jüngst komplett auf Ende-zu-Ende-Verschlüsselung um, bei der auch WhatsApp keinen Zugriff auf die Inhalte der Unterhaltungen hat.

Der Konkurrenzdienst "Telegram" verzeichnete nach Angaben des Portals "O Globo" binnen kurzer Zeit eine Million neue Nutzer. Im Falle einer Weigerung zur Blockade drohen den Mobilfunkanbietern Strafen von rund 500.000 Reais (126.749,14 Euro) pro Tag.

Die brasilianische Justiz übt immer wieder Druck aus, um an Chatprotokolle über womöglich kriminelle Handlungen heranzukommen. Im Dezember war WhatsApp bereits für rund einen Tag blockiert worden, Facebook-Chef Mark Zuckerberg sprach von einem "traurigen Tag für Brasilien".

Weltweites Tauziehen

Der Fall ist die nächste Episode in einem weltweiten Tauziehen zwischen Internet-Firmen und Behörden um die Verschlüsselung von Daten und Privatsphäre. Nach den Enthüllungen von Edward Snowden über die ausufernde Überwachung durch Geheimdienste wie die NSA gingen unter anderem Apple, Google oder WhatsApp in vielen Fällen zu starker Ende-zu-Ende-Verschlüsselung über.

Sie argumentieren, sie könnten keine Inhalte herausrücken, weil sie selbst keinen Zugang dazu hätten. Behörden fordern, sie müssten wie in der realen Welt mit Gerichtsbeschlüssen auf Informationen zugreifen können. In den USA eskalierte der Streit zuletzt zwischen Apple und der US-Regierung um das Entsperren von iPhones.