Die Regierung des Himalaya-Staates - eines der ärmsten Länder der Welt - räumte erstmals öffentlich ein, trotz vieler Warnungen vor einem großen Beben unvorbereitet gewesen zu sein. Die Zahl der Toten erhöhte sich bis Dienstagabend auf 4.680 allein in Nepal.

Die Vereinten Nationen schätzten, dass etwa acht Millionen Menschen von dem Beben betroffen sind. Mehr als 1,4 Millionen Menschen bräuchten Nahrungsmittel, berichtete das Amt für die Koordinierung humanitärer Angelegenheiten (OCHA) in New York. Mit einer Stärke von 7,8 waren die Erschütterungen am Samstag die stärksten in Nepal seit mehr als 80 Jahren.

Drei Tage nach dem Beben hat es am Dienstag noch keinen Kontakt zu zwölf Österreichern in der Region gegeben. Insgesamt umfasste die Liste des Außenministeriums 133 Personen, bei denen es Anfragen von Angehörigen gegeben hat. Das sagte Martin Weiss, Sprecher des Außenministeriums, der APA. Berichte über verletzte oder tote Österreicher gab es weiterhin nicht.

Am Dienstag ging auch eine neue Lawine im nepalesischen Erdbebengebiet ab, es wurden bis zu 250 Menschen vermisst. Möglicherweise seien darunter ausländische Touristen, sagte Gouverneur des Bezirks Rasuwa, Uddhav Bhattarai, der Nachrichtenagentur Reuters. Die Lawine habe zur Mittagszeit das Dorf Ghodatabela getroffen, das in einem Naturpark liege. Die Region nördlich der Hauptstadt Kathmandu ist bei Wanderern beliebt.

In der Bevölkerung wuchs unterdessen die Wut auf die nepalesische Regierung. Viele Menschen - sogar in Kathmandu - beklagten, dass sie noch gar keine oder kaum Unterstützung erhalten haben. Sie leben unter Planen in Parks, auf öffentlichen Plätzen oder auf den Straßen.

"Wir waren auf ein Desaster dieses Ausmaßes nicht vorbereitet", erklärte Innenminister Bam Dev Gautam im staatlichen Fernsehen. Die Behörden hätten Schwierigkeiten, die Krise zu meistern. "Wir haben nicht genügend Mittel, und wir brauchen mehr Zeit, um alle zu erreichen." Nepal ordnete drei Tage Staatstrauer an.

Die Menschen fühlten sich wegen der Nachbeben in der Stadt unsicher, sagte der Nepal-Landesbüroleiter der Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ), Roland Steurer. Sie wollten entweder bei Verwandten in Landesteilen unterkommen, die von der Katastrophe verschont blieben, oder herausfinden, wie es ihren Angehörigen und den Häusern auf dem Land gehe.

Hilfsorganisationen gehen aber davon aus, dass die Lage in den entlegenen Gebieten Nepals noch viel schlimmer ist als in der Hauptstadt. So dringend internationale Hilfe benötigt wird - sie kommt kaum durch. Organisationen wie Ärzte ohne Grenzen schicken auch Teams über den beschwerlichen Landweg in die betroffenen Gebiete. Von Indiens Hauptstadt Neu Delhi dauert es drei bis fünf Tage.

Zwei Mitarbeiter der österreichischen Caritas sind mittlerweile in Nepal angekommen. Die Lage sei "sehr komplex", sagte der Wiener Andreas Zinggl im Gespräch mit der APA. Positiv sei, dass es bisher "keinerlei Plünderungen oder Gewalt" gegeben habe, die Bevölkerung agiere "sehr diszipliniert". "Bei unserer Arbeit konzentrieren wir uns ganz stark auf die Suche von Kindern, älteren Menschen und Kranken, weil diese unsere Hilfe und den Kontakt zu ihren Angehörigen am dringendsten brauchen", sagt Johannes Guger vom österreichischen Roten Kreuz vor seiner Reise in das Katastrophengebiet.

Auch acht Nothilfeteams von Plan International befanden sich im Einsatz. Der Fokus des Kinderhilfswerks lag auf der Versorgung der Menschen in ländlichen Regionen. Rudi Klausnitzer, Vorstandsmitglied von Plan International Deutschland: "Jetzt macht es sich bezahlt, dass wir in Nepal seit langem auf solch eine Katastrophe vorbereitet waren und Lager mit Vorräten eingerichtet haben. Damit erreichen wir schnell Kinder und ihre Familien."

Die Bundesregierung hat im Ministerrat Unterstützung in Höhe von 500.000 Euro für Nepal beschlossen. Weiters kommen 250.000 Euro für Lebensmittel aus dem Agrarministerium dazu. Das Land Tirol stellt 300.000 Euro Soforthilfe zur Verfügung.

Das Erdbeben hatte große Teile Nepals sowie die angrenzenden Länder Indien und das chinesische Tibet getroffen. In Nepal gab es neben den mindestens 4.680 Toten mehr als 9.000 Verletzte. Auf chinesischer Seite starben 25, in Indien 75 Menschen.

Am Mount Everest wurden inzwischen alle Bergsteiger gerettet. Dort hatte eine Lawine Teile des Basislagers auf der Südseite zerstört. Die Alpinisten seien per Helikopter von den Höhencamps 1 und 2 ins Basislager gebracht worden, sagte Ang Tshering Sherpa vom Nepalesischen Bergsteigerverband am Dienstag. Insgesamt hätten 180 Bergsteiger festgesessen, weil die Abstiegsroute von Lawinen zerstört wurde. Die örtliche Polizei sprach zuvor von 205 Geretteten. Die Zahl der Toten am Mount Everest wurde mit 17 bis 22 angegeben. In jedem Fall ist es das schlimmste Unglück in der Geschichte des Everest-Bergsteigens.