Das gewaltige Erdbeben im Himalaya hat mehr als 2500 Menschen den Tod gebracht. Vor allem im armen Touristenland Nepal waren die Zerstörungen enorm. Dort stapelten sich Leichen vor den Krankenhäusern, ganze Bergdörfer waren zerstört, am Mount Everest töteten Lawinen mehrere Bergsteiger. Auch am Sonntag kam die Erde in der Region nicht zur Ruhe.

Nachbeben erschütterten Kathmandu

Nachbeben mit einer Stärke bis zu 6,7 erschütterten am Sonntag die Hauptstadt Kathmandu. Dort suchten Rettungskräfte zum Teil mit bloßen Händen in den Trümmern, um Eingeschlossene des Hauptbebens von Samstag früh zu erreichen. In Leichenhallen ging der Platz aus. Am Mount Everest lösten sich erneut Schneelawinen. Mit mindestens 17 Toten war das Beben die schlimmste Katastrophe am höchsten Berg der Erde.

In Kathmandu waren auch Krankenhäuser durch das Beben beschädigt worden. Aus Furcht vor Nachbeben ließen Ärzte am Sonntag Hunderte Verletzte auf die Straßen tragen. Vor dem Kathmandu Medical College lagen sie im Staub, während notdürftige Zelte aus Leintüchern errichtet wurden. Ein Chirurg berichtete von 36 Notoperationen, die er seit Samstag vorgenommen habe. Statt des einen Operationssaals würden eigentlich 15 benötigt, sagte er. "Ich komme nicht mehr klar."

Die Hilfsorganisation Care sprach von 40.000 Verletzten, die in Kliniken behandelt würden. Ein Sprecher von Save the Children erklärte, in den Krankenhäusern des Kathmandu-Tals sei für die Leichen kein Platz mehr. In der Klinik der Tribhuvan-Universität wurden die Toten in einem dunklen Raum gestapelt. Nur einige waren mit Tüchern bedeckt.

Weltkulturerbestätten wurden zerstört

Das Beben mit einer Stärke von 7,9 hatte sich in einer geringen Tiefe ereignet, was die Folgen verschlimmerte. Mehr als 2500 Menschen wurde getötet. Die Behörden sprachen von 2460 Toten in Nepal, etwa 66 in Indien, 18 in Tibet und vier in Bangladesch. Der Erdstoß zerstörte große Teile der Infrastruktur Nepals, viele alte Häuser sowie Weltkulturerbe- und Pilgerstätten. Das Erdbeben war die stärkste Erschütterung des Bodens in Nepal seit mehr als 80 Jahren. Bei einem Beben der Stärke 8,3 waren 1934 in Nepal mehr als 8.500 Menschen ums Leben gekommen.

Das ganze Ausmaß der Zerstörung des Erdbebens ist noch nicht abzusehen, weil viele abgelegene Dörfer zunächst nicht erreicht wurden. In Kathmandu bereiteten sich am Abend viele Menschen darauf vor, trotz Regens eine zweite Nacht im Freien zu verbringen. Alle Parks, Gehwege und öffentlichen Plätze hätten sich in Zeltstädte verwandelt, sagte ein Sprecher des Roten Kreuzes. Präsident Ram Baran Yadaf habe ebenfalls in einem Zelt geschlafen, sagte sein Sprecher in einem lokalen Radio. Selbst Krankenhäuser sind so überfüllt, dass im Freien behandelt werde.

Experten nach Nepal entsandt

Eine internationale Hilfswelle lief an. Die USA, Großbritannien, Pakistan und andere Länder entsandten Experten für die Suche von Verschütteten. Hilfsorganisationen entsandten Experten und kündigten - auch medizinische - Nothilfe an. Auch zahlreiche österreichische Hilfsorganisationen starteten Hilfsaktionen und Spendenaufrufe. Mehrere Katastrophenhelfer machten sich auf den Weg nach Nepal.

Nepal rief den Notstand in den betroffenen Gebieten aus, in denen 6,6 Millionen Menschen leben. Die Krankenhäuser seien überfüllt, Blutkonserven und Medikamente gingen zur Neige, erklärten die Vereinten Nationen (UN). Schulen und Universitäten bleiben für eine Woche geschlossen. Die Stromversorgung könnte lange ausfallen, da das Erdbeben die Wasserkraftwerke beschädigt hat, von denen Nepal fast all seinen Strom bezieht.

Koordiniert wird die Hilfe für Nepal vom UN-Büro zur Nothilfe-Koordinierung (OCHA). Hilfsflugzeuge aus aller Welt erreichten Kathmandu mit Gütern wie Nahrungsmitteln, Medikamenten und Kommunikationsgeräten. Die Landebahn des Flughafens wurde laut Polizei am Wochenende wegen Nachbeben für Linienflüge immer wieder geschlossen. Deswegen sitzen zahlreiche Touristen in Nepal fest. Derzeit ist dort Hauptsaison für Bergsteiger und Wanderer.

Viele Tote am Dach der Welt

Am Mount Everest starben mindestens 19 Menschen, als eine viele Stockwerke hohe Staublawine über das Basislager des höchsten Berges der Welt fegte. Dort hielten sich rund 1000 Menschen auf. 65 Verletzte seien aus dem Lager ausgeflogen worden, sagte der Vizepräsident der nepalesischen Bergsteigervereinigung, Santa Bir Lama. Zu etwa 100 Menschen in der Everest-Region bestehe derzeit kein Kontakt. Viele von ihnen könnten in höheren Camps sein, hieß es.

Nepals Regierungschef Sushil Koirala bat "ausländische Freunde" um Hilfe und Unterstützung. "Wir werden diese dunkle Zeit zusammen durchstehen", sagte er. Papst Franziskus sprach den Opfern der Erdbebenkatastrophe sein Beileid aus.

Im Außenministerium in Wien meldeten sich laufend besorgte Angehörige von Österreichern, die in der Region unterwegs sind. Insgesamt hielten sich mindestens 88 Österreicher am Wochenende in der Region auf. Zu einem Großteil gab es Kontakt, die Betroffenen waren alle unverletzt. Rund 20 Personen wurden allerdings noch nicht erreicht. Dies sei jedoch nicht verwunderlich, da die meisten kontaktierten Österreicher, die in bergigen Regionen des Landes unterwegs waren, von dem Erdbeben eher wenig mitbekommen, betonte Ministeriumssprecher Martin Weiss.

Auch auf dem Mount Everest und im übrigen Himalaya-Gebirge befanden sich zum Zeitpunkt des schweren Erdbebens mehrere Österreicher. Neben vier Osttirolern rund um den blinden Alpinisten Andy Holzer berichtet auch der Grazer Clemens Strauss in einem Online-Tagebuch von seiner Expedition auf den höchsten Berg der Erde. Er befand sich nach eigenen Angaben am Sonntag wie Holzer im vorgeschobenen Basislager auf der Nordseite des Everest in rund 6400 Meter Höhe in Sicherheit.