Ein gewaltiges Erdbeben der Stärke 7,8 hat den Himalaya erschüttert und in mehreren Ländern Asiens Tod und Zerstörung gebracht. Allein in Nepal wurden nach offiziellen Angaben am Samstag mehr als tausend Menschen getötet und viele weitere Menschen verletzt. In der Hauptstadt Kathmandu stürzten zahlreiche Gebäude und Tempel ein, darunter UNESCO-Weltkulturerbestätten.

Beim schweren Erdbeben sind nach Regierungsangaben allein in Nepal mehr als 1450 Menschen ums Leben gekommen. Das sagte Informationsminister Minendra Rijal am Samstagabend vor Journalisten. Im Kathmandu-Tal seien mindestens 630, in der Hauptstadt selbst mehr als 300 Menschen ums Leben gekommen, sagte ein Polizeisprecher.

Erdbeben in Nepal
Erdbeben in Nepal © Grafik: Kleine Zeitung

Zahl der Opfer könnte noch steigen

Auch im angrenzenden Indien, in der chinesischen Region Tibet und in Bangladesch waren Dutzende Tote zu beklagen. Die Zahl der Opfer könnte noch steigen. Erste Hilfsmaßnahmen sind unterdessen angelaufen.

Im rund 700.000 Einwohner zählenden Kathmandu flohen die Menschen auf die Straße. Dort harrten sie stundenlang aus, da es zu mehr als 20 Nachbeben kam und sie sich davor fürchteten, in ihre Häuser zurückzukehren. Der Verkehr kam zum Erliegen, weil die Straßen aufrissen. Das Zentrum des Bebens lag nach Angaben des Deutschen Geoforschungszentrums (GFZ) in Potsdam nur etwa 80 Kilometer von Kathmandu entfernt, in etwa 18 Kilometern Tiefe.

Das ganze Ausmaß der Zerstörung in Nepal sei noch nicht auszumachen, sagte Nepals Innenministeriumssprecher Laxmi Dhakal. "Wir haben noch nichts von weit entfernten Dörfern gehört." In den betroffenen Gebieten wurde der Notstand ausgerufen. Ein Polizeisprecher sprach gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters von 1.130 Toten, das nationale Notfalloperations-Zentrum Nepals sprach sogar von 1457 Todesopfern. Über mögliche Opfer aus Österreich war zunächst nichts bekannt.

Lawine am Mount Everest ausgelöst

Wegen des Erdbebens löste sich auch eine Lawine am Mount Everest und verschüttete mehrere Bergsteiger. Mindestens 13 Menschen wurden in den Tod gerissen. Nicht betroffen war der blinde Österreicher Andy Holzer. Der Osttiroler und sein dreiköpfiges Begleitteam sind laut seiner Ehefrau Sabine Holzer in Sicherheit.

Die Luftwaffe des Nachbarlandes Indien schickte mehrere Flugzeuge mit Nahrungsmitteln, Wasser und Rettungsausrüstung los. Spürhunde, Ärzte und Krankenpfleger seien mit an Bord, sagte ein Sprecher des Verteidigungsministeriums in Neu Delhi. Die USA kündigten die Entsendung von Helfern an und wollen eine Million US-Dollar an Hilfsgelder freimachen. Auch aus Österreich brechen zwei Experten des Roten Kreuzes (ÖRK) am Sonntag zur Unterstützung der Hilfskräfte auf, hieß es.

Auch in den Nachbarländern lief die Hilfe an. In Indien starben nach offiziellen Angaben mindestens 34 Menschen. In China starb laut staatlichen Medien eine 83-Jährige; auch in Bangladesch kam eine Frau ums Leben. 25 Textilarbeiterinnen wurden nach offiziellen Angaben außerdem verletzt, als sie aus ihrer Fabrik in Savar vor den Toren der Hauptstadt Dhaka flüchteten. Aus Pakistan wurden zunächst keine Toten gemeldet.

Dharahara-Turm stürzte zusammen

Der kulturell wichtige Durbar-Platz im Zentrum Kathmandus - ein Unesco-Weltkulturerbe - sei nicht mehr wiederzuerkennen, sagte der Autor Kashish Das Shrestha von vor Ort. Er twitterte Bilder, auf denen nur noch Holzhaufen zu sehen sind, wo einst historische Gebäude standen. Auch der neunstöckige Dharahara-Turm, der schon einmal durch ein Erdbeben beschädigt wurde, sei in sich zusammengestürzt.

Der zerstörte Dharahara-Turm
Der zerstörte Dharahara-Turm © AP

Nepals einziger internationaler Flughafen, der wegen der Nachbeben zwischenzeitlich geschlossen war, wurde am Nachmittag teilweise wieder geöffnet, um Hilfslieferungen ins Land zu lassen. Zahlreiche Touristen aber waren gestrandet.

Das verarmte Nepal hat 28 Millionen Einwohner und ist etwas größer als Griechenland. "Fast das ganze Land ist betroffen", sagte ein Sprecher der nepalesischen Botschaft in Neu-Delhi. Die Rettungsarbeiten in Kathmandu wurden durch einen Zusammenbruch der Kommunikationsleitungen behindert. Bewohner bildeten Menschenketten, um für die Hilfsfahrzeuge die Trümmer von den Straßen zu räumen. Einem Polizisten zufolge wurden bis zu 200 Menschen verschüttet, als der historische Dharara-Turm zusammenstürzte. Eine indische Touristin berichtete am Telefon, wie sie dabei geholfen habe, Verletzte zu den Krankenwagen zu bringen und die Toten für den Abtransport zu bergen. "Wir sind gezwungen, die Leichen übereinanderzustapeln, damit sie hineinpassen", sagte sie.

Rund 250 Österreicher in der Region

Schätzungsweise 300.000 Touristen halten sich zurzeit in Nepal auf, wo im Frühjahr die Wander- und Klettersaison begonnen hat. Den Erfahrungswerten zufolge dürften rund 250 Österreicher in der Region sein, sagte Außenministeriumssprecher Martin Weiss zur APA. Eine genauere Schätzung sei nicht möglich, da viele die Gegend als Individualtouristen bereisen. Im Ministerium in Wien gingen bereits zahlreiche Anrufe von Angehörigen von Nepal-Urlaubern ein. Daraus resultierte laut Weiss eine Liste von bisher zwölf nicht erreichbaren Personen. Auch aus Nepal meldeten sich bereits mehrere Österreicher, die aufgrund des Erdbebens gestrandet waren. Sie sagten, dass es ihnen gut gehe, berichtete Weiss am Nachmittag. Das Außenministerium stand mit dem Honorarkonsulat in Kathmandu und lokalen Behörden in Kontakt, um den Betroffenen zu helfen.

Der Durbar-Platz im Zentrum Kathmandus wurde völlig zerstört
Der Durbar-Platz im Zentrum Kathmandus wurde völlig zerstört © AP

Nepal zählt neben Uganda und Peru zu den Schwerpunktländern von SOS-Kinderdorf Österreich. In der vom Erdbeben betroffenen Region befinden sich mehrere mit österreichischer Unterstützung errichtete Kinderdörfer. Nach ersten Informationen, so Kinderdorf-Pressesprecher Viktor Trager zur APA, seien dort keine Toten oder Verletzten zu beklagen. Zwar habe es in den vier Kinderdörfern bei Kathmandu und einem in Pokhara Schäden gegeben. Diese hielten sich jedoch aufgrund der stabilen Bauweise in Grenzen. "Alle Kinder, Mütter und Mitarbeiter sind in Sicherheit", zitierte Trager aus einem E-Mail eines Kollegen aus Nepal.