Nach dem Flugzeugabsturz in den französischen Alpen haben sich die Fragen am Samstag weiter auf den Gesundheitszustand von Kopilot Andreas Lubitz konzentriert. Medienberichten zufolge war er bei Neurologen und Psychiatern in Behandlung, in seiner Wohnung wurden Medikamente zur Behandlung psychischer Erkrankungen gefunden worden.

Der Germanwings-Airbus mit 150 Menschen an Bord war am Dienstag an einer Felswand zerschellt. Nach bisherigen Erkenntnissen der Ermittler wurde der Absturz von dem Kopiloten bewusst herbeigeführt. Er war - auch für den Tag des Fluges - eigentlich krank geschrieben.

Die Persönlichkeit des 27-Jährigen sei eine "ernsthafte Spur" in den Ermittlungen, aber nicht die einzige, sagte der Leiter einer französischen Gendarmerie-Delegation in Düsseldorf, Jean-Pierre Michel. Es sei noch kein "spezielles Element" im Leben von Lubitz - wie Liebeskummer oder berufliche Probleme - identifiziert worden, das dessen mögliches Verhalten erklären könne.

Schwere psychosomatische Erkrankung

Nach einem Bericht der "Welt am Sonntag" fanden Ermittler Belege für eine schwere "psychosomatische Erkrankung" des Co-Piloten. Der 27-Jährige sei "von mehreren Neurologen und Psychiatern behandelt worden", zitierte die Zeitung einen Ermittler. In seiner Wohnung in Düsseldorf sei eine Vielzahl von Medikamenten zur Behandlung der psychischen Erkrankung sichergestellt worden. Lubitz litt demnach unter einem "starken subjektiven Überlastungssyndrom" und war depressiv. Ermittler wollten die Angaben weder bestätigen noch dementieren. Laut einem Bericht der "Bild am Sonntag" war Lubitz wegen massiver Sehstörungen in medizinischer Behandlung.

Co-Pilot kündigte eine spektakuläre Tat an

Der Co-Pilot der Germanwings-Maschine hat einem Bericht der deutschen Boulevard-Zeitung "Bild" zufolge im Gespräch mit einer früheren Freundin Andeutungen gemacht, er werde einst große Bekanntheit erlangen. Das Blatt veröffentlichte in seiner Samstagausgabe ein Gespräch mit einer Stewardess, die 2014 eine Beziehung mit Andreas Lubitz gehabt habe.

"Als ich vom Absturz hörte, ging mir immer wieder ein Satz durch den Kopf, den er sagte: 'Eines Tages werde ich etwas tun, was das ganze System verändern wird, und alle werden dann meinen Namen kennen und in Erinnerung behalten'", wurde die Frau zitiert.

Zerstörte Träume

Sie beschrieb Lubitz als "netten und aufgeschlossenen" Menschen, der allerdings Kritik an seiner beruflichen Situation geäußert habe. "Wir haben immer sehr viel über Arbeit gesprochen, und da wurde er ein anderer Mensch, er hat sich aufgeregt, unter welchen Umständen wir arbeiten müssen. Zu wenig Geld, Angst um den Vertrag, zu viel Druck."

Nach vorläufigen Erkenntnissen der französischen Staatsanwaltschaft ließ der 27-jährige Co-Pilot den Airbus A320 von Germanwings am Dienstag absichtlich in Südfrankreich an einer Felswand zerschellen, als der Flugkapitän ihn vermutlich für eine Toilettenpause allein im Cockpit gelassen hatte. Am Freitag wurde bekannt, dass der 27-Jährige für Dienstag krank geschrieben war.

"Er hat es getan, weil er gemerkt hat, dass durch seine gesundheitlichen Probleme sein großer Traum von einem Job bei der Lufthansa, von einem Job als Kapitän und als Pilot von Langstrecken, so gut wie unmöglich war. Ob Liebesprobleme dazukamen, weiß ich nicht", zitierte die "Bild"-Zeitung die frühere Freundin. "Über seine Krankheit hat er nie viel gesprochen, nur dass er deswegen in psychiatrischer Behandlung war."

Jugendlicher häufig in Unglücksregion

Der Kopilot der abgestürzten Germanwings-Maschine soll die Unglücksregion in den Alpen als Jugendlicher gut gekannt haben. Seine Eltern seien dort mit ihrem Flugverein hingereist, sagte Francis Kefer vom Flugplatz in Sisteron dem französische Sender iTele. Sisteron liegt gut 40 Kilometer westlich der Absturzstelle in den südostfranzösischen Alpen.

"Zwischen 1996 und 2003 ist der Club aus Montabaur regelmäßig hierhergekommen", sagt Kefer in dem Bericht vom Samstag. Auch der Kopilot sei damals mit seinen Eltern dabei gewesen. Die Vereinsmitglieder seien zum Segelfliegen gekommen.

Luftfahrt-Bundesamt nahm Einsicht in Personalakt

Das deutsche Luftfahrt-Bundesamt in Braunschweig hat den Personalakt des Germanwings-Copiloten geprüft, der am Dienstag einen Airbus in den französischen Alpen zum Absturz gebracht haben soll. "Wir haben Einsicht in die Unterlagen genommen und die Erkenntnisse mündlich an die Staatsanwaltschaft gegeben", sagte Holger Kasperski vom Luftfahrt-Bundesamt am Samstag.

"Mehr gibt es dazu aktuell nicht zu sagen", fügte Kasperski hinzu. Andernfalls könne es die Ermittlungen gefährden. Einen sogenannten SIC-Eintrag in der Akte wollte der Behördensprecher nicht bestätigen. Ein solcher Eintrag steht für besondere regelhafte medizinische Untersuchungen. Am Freitag hatte die Staatsanwaltschaft mitgeteilt, dass der 27-Jährige am Unglückstag eigentlich krankgeschrieben war. Über die Art der Erkrankung bewahrten die Ermittler Stillschweigen.

Identifizierung der Opfer

Die Arbeiten waren über Nacht unterbrochen worden. Bilder des französischen Fernsehens zeigten, wie Hubschrauber erneut in den Einsatz flogen. Die Retter konzentrieren sich neben der Bergung und Identifizierung der Leichen weiter auf die Sicherung der Unfallstelle in dem schwierigen Gelände.

Rechtsmediziner arbeiten bereits an der Identifizierung der sterblichen Überreste, die schon ins Tal gebracht wurden. Weiter gesucht wird nach dem zweiten Flugschreiber des Airbus der Lufthansa-Tochter Germanwings. Er soll weitere Erkenntnisse zum Geschehen im Cockpit vor dem Absturz liefern.

MH370-Hinterbliebene kondolieren

Unterdessen haben Angehörige der Passagiere des verschwundenen Malaysia-Airlines-Fluges MH370 den Hinterbliebenen des abgestürzten Germanwings-Fluges am Samstag ihr Beileid ausgesprochen. "Unsere Gedanken und Gebete sind mit den Familien und Freunden der Passagiere und Besatzungsmitglieder von 4U9525", schrieben die MH370-Familien auf ihrer Facebook-Seite. "Wir geben ihnen unsere Unterstützung in diesen herzzerreißenden Zeiten."

Der malaysische Airbus mit der Flugnummer MH370 war vor mehr als einem Jahr auf dem Weg nach Peking verschwunden. Anders als bei der Germanwings-Maschine, die am Dienstag gegen ein Bergmassiv der französischen Alpen krachte und zerbarst, fehlt von dem asiatischen Jet trotz intensiver Suche nach Wrackteilen seither jede Spur.